Mehrwertsteuer auf Verwaltungsratsvergütungen in Luxemburg nach dem EuGH-Urteil C-288/22

Summary
CJEU Ruling on Directors' Fees: The Court of Justice of the European Union (CJEU) ruled that directors’ fees in Luxembourg may not be subject to VAT if the director does not act independently, does not assume personal responsibility, and does not bear the economic risk of their actions.
District Court Decision: The Luxembourg District Court's ruling on 22 November 2024 reinforced the CJEU's stance, confirming that directors' fees are generally outside the scope of VAT, unless the director bears personal responsibility and economic risk.
VAT Regularization Process: Following the CJEU and District Court rulings, Luxembourg VAT authorities introduced a regularization procedure for directors and companies, allowing refunds for overpaid VAT in past periods and requiring case-by-case assessments for VAT liability.
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Die mehrwertsteuerliche Behandlung von Geschäftsführerhonoraren in Luxemburg ist ein umstrittenes Thema. Gemäß dem Rundschreiben 781 der luxemburgischen Mehrwertsteuerbehörde (Administration de l'Enregistrement, des Domaines et de la TVA, im Folgenden "AEDT" oder "Mehrwertsteuerbehörde") vom 30. September 2016 wurden die Leistungen von Geschäftsführern (d. h. die an die Mitglieder des Verwaltungsrats eines Unternehmens gezahlten Honorare) als wirtschaftliche Tätigkeit behandelt und unterlagen der luxemburgischen Mehrwertsteuer.
Dieser Status quo wurde durch ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-288/22 (TP gegen Administration de l'Enregistrement, des Domaines et de la TVA) in Frage gestellt. In seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2023 hat der EuGH eine lang erwartete Klarstellung vorgenommen, deren Folgen im Folgenden analysiert werden.
Hintergrund der Rechtssache C-288/22
- Der Sachverhalt
TP ist Rechtsanwalt und Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer Aktiengesellschaften in Luxemburg. Zu seinen Aufgaben gehören u. a. die Entgegennahme von Berichten leitender Angestellter, die Mitwirkung an strategischen Entscheidungen, die Auswahl des operativen Managements, die Überwachung der Buchführung und der Tochtergesellschaften, die Beurteilung der Risikopolitik, die Festlegung der Strategie usw.
Als Vergütung erhält TP ein prozentuales Honorar (einen Anteil am Unternehmensgewinn), das von der Hauptversammlung der Aktionäre festgelegt wird. Die luxemburgischen MwSt-Behörden erließen von Amts wegen einen MwSt-Bescheid für 2019 mit der Begründung, dass die Tätigkeit von TP als Geschäftsführer eine mehrwertsteuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit darstelle.
TP legte gegen den Bescheid Einspruch ein und argumentierte, dass seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft keine selbstständig ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 9 der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG sei und er daher in dieser Hinsicht nicht als Steuerpflichtiger angesehen werden sollte.
- Die wichtigsten Fragen aus dem Vorabentscheidungsersuchen
Übt eine Person (z. B. ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht) eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 9 der MwSt-Richtlinie 2006/112/EG aus? Handelt es sich bei den prozentualen Vergütungen, die sie erhält, um "Vergütungen für Dienstleistungen" an die Gesellschaft?
Übt eine solche Person diese Tätigkeit selbständig im Sinne der Artikel 9 und 10 der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG aus (d. h. nicht im Rahmen eines Arbeits- oder ähnlichen Verhältnisses)?
- Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuer darstellen kann, wenn das Vorstandsmitglied Dienstleistungen für die Gesellschaft gegen eine Vergütung erbringt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen steht, wenn die Tätigkeit auf Dauer ausgeübt wird und wenn die Methode zur Berechnung der Vergütung vorhersehbar ist.
Eine solche Tätigkeit gilt jedoch nur dann als unabhängig ausgeübt, wenn der Geschäftsführer in eigenem Namen und unter eigener Verantwortung handelt und das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.
Wenn das Unternehmen selbst das wirtschaftliche Risiko trägt und der Geschäftsführer lediglich an der kollektiven Entscheidungsfindung teilnimmt, ohne eine persönliche Verantwortung oder ein persönliches Risiko zu übernehmen, ist das Erfordernis der Unabhängigkeit nicht erfüllt, was bedeutet, dass der Geschäftsführer kein Steuerpflichtiger für Mehrwertsteuerzwecke ist, was nach Auffassung des EuGH auf die Situation von TP zutraf. Infolgedessen würden die von ihm bezogenen Geschäftsführerhonorare nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.
Nach dem Urteil des EuGH wurde der Fall TP an das Bezirksgericht Luxemburg zurückverwiesen, das am 22. November 2024 sein mit Spannung erwartetes Urteil fällte, das weitgehend die Argumentation des EuGH widerspiegelt. Um festzustellen, ob TP als mehrwertsteuerpflichtig einzustufen ist, folgte das Bezirksgericht dem Ansatz des EuGH und prüfte sowohl den wirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit des Vorstandsmitglieds als auch den Grad der Unabhängigkeit, mit dem sie ausgeübt wurde.
Unmittelbar nach dem Urteil des EuGH erließen die luxemburgischen MwSt-Behörden am 22. Dezember 2023 das Rundschreiben 781-1, mit dem die Anwendung des Rundschreibens 781 (ab 2016) bis zum Urteil des Bezirksgerichts ausgesetzt wurde. Sie kündigten außerdem an, dass das Regularisierungsverfahren in einem neuen Rundschreiben im Anschluss an die Entscheidung des Amtsgerichts dargelegt wird.
Das Urteil des Bezirksgerichts
Das Urteil des Bezirksgerichts Luxemburg vom 22. November 2024 weicht nicht von der Argumentation des EuGH ab. Das Bezirksgericht wandte die vom EuGH aufgestellten Kriterien für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit an, nämlich (i) die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt und (ii) eine kontinuierliche Tätigkeit gegen ein vorhersehbares Entgelt, und bestätigte, dass die Verwaltungsratstätigkeit von TP diese Kriterien erfüllt. Daher übte der Direktor eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuer aus.
Der Gerichtshof stellte jedoch fest, dass TP weder in eigenem Namen oder unter eigener Verantwortung handelte, noch das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trug, beides wesentliche Voraussetzungen für die Einstufung seiner Tätigkeit als unabhängig. Nach luxemburgischem Gesellschaftsrecht übernehmen die Vorstandsmitglieder nicht persönlich die Verpflichtungen des Unternehmens. Die Verantwortung für die Entscheidungen der Verwaltungsratsmitglieder und ihre wirtschaftlichen Folgen verbleibt bei der Gesellschaft, es sei denn, es handelt sich um Verstöße gegen das Gesetz oder die Gesellschaftssatzung. Das Bezirksgericht betonte, dass die Gesellschaft und nicht der Vorstand das wirtschaftliche Risiko aus der Vorstandstätigkeit trägt, was bedeutet, dass die Vorstandsmitglieder in ihrer Funktion nicht persönlich einem solchen Risiko ausgesetzt sind.
Da der Direktor nicht persönlich die Verantwortung und das wirtschaftliche Risiko trägt, hätte die erhaltene Vergütung nicht der Mehrwertsteuer unterworfen werden dürfen, und das Bezirksgericht forderte die Aufhebung der von der AEDT ausgestellten Steuerbescheide.
Im Anschluss an diese Entscheidung wurde eine parlamentarische Anfrage an den Finanzminister gerichtet, um zu klären, ob das Urteil für alle Geschäftsführer gilt (unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft) und wie es in das luxemburgische Mehrwertsteuerrecht umgesetzt wird.
Rundschreiben 781-2
Nach dem Urteil des Bezirksgerichts erließ die Mehrwertsteuerbehörde am 11. Dezember 2024 das Rundschreiben 781-2, in dem bestätigt wird, dass die Anwendung der Argumentation des Gerichts nicht nur auf Aktiengesellschaften beschränkt werden sollte. Die Geschäftsführer müssen nun selbst beurteilen, ob sie unter ihrer eigenen Verantwortung handeln und ein wirtschaftliches Risiko tragen, um die Mehrwertsteuerpflicht zu bestimmen.
In Luxemburg niedergelassene und bereits für MwSt-Zwecke registrierte Unternehmen, die die vom EuGH und vom Bezirksgericht aufgestellten Bedingungen erfüllen, können in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 über ein auf MyGuichet.lu verfügbares vereinfachtes Verfahren die Berichtigung der für nicht vorgeschriebene Jahre (einschließlich 2018 und 2019) in Rechnung gestellten und eingezogenen zu viel gezahlten MwSt beantragen, wobei die Erstattungen an die Kunden weitergeleitet werden. Sie könnten sich auch für das Standardverfahren entscheiden und Gutschriften und neue Rechnungen ausstellen. Während die zuvor abgezogene Vorsteuer auf gewöhnliche Ausgaben nicht angefochten wird, können bei größeren Investitionen Anpassungen erforderlich sein.
Bei gebietsfremden Geschäftsführern muss die luxemburgische Gesellschaft, die ihre Geschäftsführerhonorare gezahlt hat, die Mehrwertsteuer in ihrer nächsten Jahreserklärung abrechnen. Sollte die Gesellschaft die umgekehrte Mehrwertsteuer auf die Honorare zurückerhalten haben, muss die Rückerstattung in der nächsten jährlichen Mehrwertsteuererklärung ebenfalls berichtigt werden.
Rundschreiben 781-2 führt auch die Mehrwertsteuer für unabhängig handelnde Geschäftsführer wieder ein und verlangt die Regularisierung vergangener Zeiträume, in denen die Mehrwertsteuer aufgrund der Aussetzung des Rundschreibens 781 nicht erhoben wurde. Die Auswirkungen für Geschäftsführer und Unternehmen hängen von den jeweiligen Umständen ab, einschließlich der Rechtsform des Unternehmens und der Organisation der Arbeit der Geschäftsführer.
Schlussfolgerung
Die Kombination aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-288/22 und dem Urteil des Bezirksgerichts Luxemburg vom 22. November 2024 hat die mehrwertsteuerliche Behandlung von Geschäftsführerhonoraren in Luxemburg grundlegend verändert. In den meisten Fällen werden die Geschäftsführer nicht mehr als Steuerpflichtige angesehen, und ihre Honorare fallen nicht unter die Mehrwertsteuer.
Dies ist eine willkommene Entwicklung für Geschäftsführer und Unternehmen, die Rechtssicherheit schafft und den Befolgungsaufwand verringert. Gleichzeitig ist jedoch weiterhin eine sorgfältige Einzelfallprüfung erforderlich, insbesondere bei Geschäftsführern mit gemischten Funktionen oder grenzüberschreitenden Tätigkeiten.
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