Határ Diszkont: Mehrwertsteuer auf steuerfreie Erstattungsbearbeitungsgebühren

Zusammenfassung
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In der Rechtssache Határ Diszkont geht es um eine praktische Frage, die sich beim "steuerfreien Einkauf" für Reisende aus Drittländern häufig stellt: Wie ist eine Gebühr zu behandeln, die ein Einzelhändler für die Verwaltung einer Mehrwertsteuererstattung erhebt? Der Gerichtshof hatte zu entscheiden, ob für die von Határ Diszkont erhobene "Bearbeitungsgebühr" die Mehrwertsteuerbefreiung gilt, die für die zugrunde liegende Ausfuhrlieferung von Gegenständen an Reisende aus Nicht-EU-Ländern gilt, oder ob sie eine gesonderte mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistung darstellt. Weitere Fragen waren, ob diese Verwaltungstätigkeit, wenn sie eine eigenständige Dienstleistung ist, nach Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e oder Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d von der Mehrwertsteuer befreit werden kann und ob die Gebühr für Mehrwertsteuerzwecke als Netto- oder Bruttobetrag zu behandeln ist. Bei der Beantwortung dieser Fragen wendet der Gerichtshof den Grundsatz der Mehrwertsteuer an, wonach jede Leistung in der Regel unabhängig zu beurteilen ist.
Sachverhalt und Umstände
Die Határ Diszkont Kft betrieb ein Einzelhandelsgeschäft in Tompa (Ungarn), nahe der serbischen Grenze. Im Jahr 2020 verkaufte sie verschiedene Waren an Kunden, die nicht in der Europäischen Union ansässig waren. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass diese Kunden die Waren am Tag des Kaufs mitnahmen und sie noch am selben Tag in ein Drittland ausführten. Die für die Verkäufe ausgestellten Kassenquittungen oder Rechnungen enthielten den Vermerk "VAT settled". Nach der Ausfuhr und der Bestätigung der Zollformalitäten erstattete Határ Diszkont den Kunden die auf den Rechnungen ausgewiesene ungarische Mehrwertsteuer in voller Höhe und stellte eine von beiden Parteien unterzeichnete Erstattungsbescheinigung aus.
Für die Bearbeitung dieser Mehrwertsteuererstattung erhob Határ Diszkont eine gesonderte "Bearbeitungs-/Bearbeitungsgebühr" in Höhe von 15 % des zu erstattenden Mehrwertsteuerbetrags. Diese Gebühren wurden erst zu dem Zeitpunkt in Rechnung gestellt, als die Erstattung tatsächlich gezahlt wurde. Die Zahlung erfolgte in bar und wurde durch Einzahlungsbelege nachgewiesen. In ihren MwSt.-Erklärungen behandelte Határ Diszkont diese Gebühren als Gegenleistung für steuerbefreite Leistungen. Das Geschäft wies seine Kunden durch Aushänge und mündliche Mitteilungen darauf hin, dass die Mehrwertsteuerrückerstattung einer solchen Gebühr unterliegt, und erläuterte, wie die Gebühr berechnet wurde.
Der Rechnungshof beschreibt auch die konkreten Vorgänge, die die Abwicklungsdienstleistung ausmachen. Zum Zeitpunkt des Verkaufs überprüfte Határ Diszkont die Gültigkeit des Reisedokuments des Kunden, händigte ein Standard-Erstattungsformular und die Verkaufsrechnung aus und informierte den Kunden über das Erstattungsverfahren. Als der Kunde später mit einem vom Zoll abgestempelten Formular zurückkehrte, überprüfte Határ Diszkont das Formular und vergewisserte sich, dass die Ausfuhrformalitäten an der Grenze erfüllt worden waren, änderte/kopierte/archivierte die Verkaufsrechnung, erstattete die Mehrwertsteuer an der Kasse und stellte gleichzeitig (i) einen vom Kunden unterzeichneten Erstattungsbeleg und (ii) eine Rechnung über die Bearbeitungsgebühr aus. Anschließend kassierte sie die Gebühr in bar und dokumentierte die Zahlung mit einer vom Kunden unterzeichneten Einzahlungsquittung.
Rechtlicher Rahmen
Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwSt-Richtlinie) sowie des unionsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes.
Die Richtlinie legt zunächst die allgemeine Regel fest, dass die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen erhoben wird, die von einem Steuerpflichtigen in einem Mitgliedstaat gegen Entgelt erbracht werden (Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c)). Das System beruht auf der Annahme, dass grundsätzlich jede Leistung einzeln zu beurteilen ist.
Was die Steuerbemessungsgrundlage anbelangt, so sieht Artikel 73 vor, dass die Steuerbemessungsgrundlage alles ist, was eine vom Lieferer oder Dienstleistungserbringer tatsächlich erhaltene Gegenleistung darstellt. In Artikel 78 Buchstabe b) wird klargestellt, dass Nebenkosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer dem Kunden in Rechnung stellt, in die Steuerbemessungsgrundlage der Hauptleistung einbezogen werden können.
Drittens enthält die Richtlinie die einschlägigen Steuerbefreiungen. Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b) befreit Lieferungen von Gegenständen, die von einem nicht in der EU ansässigen Erwerber oder für dessen Rechnung an einen Ort außerhalb der EU versandt oder befördert werden. Artikel 147 legt den besonderen Rahmen für Ausfuhren im persönlichen Gepäck von Reisenden aus Nicht-EU-Staaten fest. Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e befreit bestimmte Dienstleistungen, die unmittelbar mit Ausfuhren oder Einfuhren verbunden sind, in besonderen Situationen. Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d) sieht eine Steuerbefreiung für bestimmte Finanztransaktionen, einschließlich Zahlungs- und Überweisungsdienstleistungen, vor.
Schließlich verweist der Gerichtshof auf die ungarischen Mehrwertsteuervorschriften nur insoweit, als sie sich in den nationalen Kontext einfügen. Ein besonders relevanter Punkt war, dass nach dem bis zum 31. Dezember 2007 geltenden ungarischen Mehrwertsteuerrecht Mehrwertsteuererstattungen, die von Einzelhändlern für ausländische Reisende abgewickelt wurden, ausdrücklich als steuerfrei behandelt wurden; diese ausdrückliche nationale Regelung wurde später aufgehoben. Diese historische Änderung war für die Berufung des Unternehmens auf den Vertrauensschutz von Bedeutung.
Standpunkte der Parteien und die Rechtsfrage
Während der Prüfung für das Jahr 2020 brachte Határ Diszkont mehrere (teilweise wechselnde) Argumente vor, um die Befreiung von der Bearbeitungsgebühr zu unterstützen. Im Wesentlichen argumentierte sie, dass die Gebühr von der Steuer befreit werden sollte, weil es sich entweder um eine Finanzdienstleistung im Sinne von Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d) oder um eine unmittelbar mit der Ausfuhr verbundene Dienstleistung im Sinne von Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e) handele, oder weil es sich um Nebenkosten handele, die Teil der steuerbefreiten Ausfuhrlieferung von Gegenständen seien und daher der gleichen mehrwertsteuerlichen Behandlung unterlägen wie diese. In diesem Zusammenhang berief sich Határ Diszkont auch auf Informationen, die sie während der Prüfung von einer für Kundenbeziehungen zuständigen Stelle der Steuerbehörde erhalten hatte und die darauf hindeuteten, dass die Gebühr als Nebenleistung zu einer steuerbefreiten Lieferung angesehen werden könnte.
Die Steuerbehörde wies alle diese Argumente zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Abfertigung um eine gesonderte Verwaltungsdienstleistung handelte, die weder Teil der Lieferung von Gegenständen noch für die Ausfuhr erforderlich war und weder unter die exportbezogene noch unter die finanzielle Steuerbefreiung fiel. Daher behandelte sie die Gebühr als steuerpflichtig. Es stellte ferner fest, dass die ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellten Beträge Nettobeträge seien, auf die noch Mehrwertsteuer aufgeschlagen werden müsse.
Das vorlegende Gericht war sich unsicher, insbesondere weil das Entgelt erst in Rechnung gestellt wurde, nachdem die Waren verkauft und ausgeführt worden waren. Es stellte dem Gerichtshof vier Fragen. Im Wesentlichen geht es darum, ob die Bearbeitung von Mehrwertsteuererstattungen eine eigenständige Dienstleistung ist und, wenn ja, ob sie unter Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e) fallen kann; wenn nicht, ob sie als Finanzdienstleistung nach Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d) befreit werden kann; ob die Steuerbehörde aus Gründen des Vertrauensschutzes daran gehindert ist, die Gebühr rückwirkend zu besteuern; und ob die Behörde die Gebühr als Nettopreis behandeln darf, auf den die Mehrwertsteuer zusätzlich erhoben wird.
Die Analyse des Gerichtshofs
Gesonderte Dienstleistung oder Nebenleistung zur Ausfuhrlieferung
Der Gerichtshof erinnert daran, dass jede Leistung normalerweise getrennt zu betrachten ist; nur wenn die einzelnen Elemente objektiv untrennbar miteinander verbunden sind oder wenn ein Element eine reine Nebenleistung darstellt (kein Selbstzweck), kann von einer einzigen Leistung ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall setzt die Erstattungsabwicklung zwar einen vorherigen Verkauf voraus, aber es besteht keine gegenseitige Abhängigkeit: Die Ausfuhrlieferung ist mit der Zahlung/Übertragung der Verfügungsrechte abgeschlossen, während die Abwicklungsleistung später erfolgt und für das Bestehen des Verkaufs nicht erforderlich ist. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Verkauf auch dann eine abgeschlossene Lieferung bleibt, wenn die Ausfuhr nicht erfolgt oder der Ausfuhrnachweis fehlt. Die Dienstleistung ist auch faktisch trennbar und fakultativ, da die Kunden mit abgestempelten Dokumenten zurückkehren müssen und sich dafür entscheiden können, dies nicht zu tun. Daher ist die Gebühr keine Nebenleistung oder Nebenkosten im Sinne von Artikel 78 Buchstabe b), sondern eine eigenständige steuerpflichtige Dienstleistung mit eigener mehrwertsteuerlicher Behandlung und eigener Steuerbemessungsgrundlage.
Keine Befreiung als exportbezogene Dienstleistung (Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e))
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass aus den Akten nicht hervorgeht, dass sich die Waren in einer der von Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e erfassten besonderen Zollsituationen befanden. Jedenfalls gilt diese Befreiung nur für Dienstleistungen, die unmittelbar zur tatsächlichen Ausfuhr von Waren beitragen. Bei der Erstattungsabwicklung ist dies nicht der Fall: Die Ausfuhr erfolgt ausschließlich durch den Kunden und die Dienstleistung wird erst nach Abschluss der Ausfuhr erbracht. Daher kann Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e) nicht angewendet werden.
Keine Befreiung als Finanzdienstleistung (Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d))
Eine Dienstleistung ist nur dann nach Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d) von der Steuer befreit, wenn sie die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Zahlung/eines Transfers erfüllt, d. h. wenn sie die für den Geldverkehr charakteristischen rechtlichen und finanziellen Veränderungen herbeiführt; reine Verwaltungsakte sind ausgeschlossen. Határ Diszkont hat die beim Kauf gezahlte Mehrwertsteuer lediglich bis zum Nachweis der Ausfuhr einbehalten und nach Vorlage des Nachweises erstattet. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um die Verwaltung der steuerfreien Regelung und nicht um eine eigenständige Zahlungsdienstleistung, so dass die Steuerbefreiung nicht anwendbar ist.
Berechtigtes Vertrauen und rückwirkende Besteuerung
Vertrauensschutz besteht für den Steuerpflichtigen nur dann, wenn die zuständige Behörde genaue, unbedingte und beständige Zusicherungen gegeben hat. Die dauerhafte Entgegennahme von Umsatzsteuererklärungen, auch nach Prüfungen, ist keine solche Zusicherung; nur ausnahmsweise könnte eine stillschweigende Praxis in Betracht kommen, und das vorlegende Gericht muss prüfen, ob eine Prüfungsakte konkrete Zusagen enthielt. Die Behörde war nicht verpflichtet, den Unternehmer auf die Gesetzesänderung nach 2007 hinzuweisen, da ein sorgfältiger Unternehmer das Gesetz kennen muss. Unverbindliche Erklärungen, die bei einer Prüfung nach den Vorgängen abgegeben werden, können frühere Zeiträume nicht schützen. Eine rückwirkende Besteuerung ist daher nicht ausgeschlossen.
Steuerpflichtiger Betrag: netto oder brutto
Da Határ Diszkont das Honorar als steuerbefreit in Rechnung stellte und die Mehrwertsteuer später nicht auf die Reisenden abwälzen konnte, muss die Steuerbemessungsgrundlage nach Artikel 73 auf der Grundlage der tatsächlichen Einnahmen ermittelt werden. Nach Tulică & Plavoșin wird ein Preis, der ohne Angabe der Mehrwertsteuer vereinbart wurde und bei dem die Mehrwertsteuer nicht nacherhoben werden kann, als Preis inklusive Mehrwertsteuer (brutto) behandelt. Die Behörde darf das Honorar also nicht als Nettobetrag behandeln, zu dem noch die Mehrwertsteuer hinzukommt.
Schlussfolgerung
Die Argumentation des Gerichtshofs legt eine klare Regel für steuerfreie Erstattungsmodelle fest: Wenn ein Einzelhändler eine gesonderte Gebühr für die Verwaltung der Mehrwertsteuererstattung erhebt, diese Dienstleistung erst nach dem Verkauf und der Ausfuhr der Waren erbringt und der Kunde einen zusätzlichen freiwilligen Schritt unternehmen muss (Rücksendung mit abgestempelten Ausfuhrdokumenten), ist diese Tätigkeit in der Regel eine eigenständige steuerpflichtige Dienstleistung mit eigener Mehrwertsteuerbehandlung. Ein funktioneller oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer steuerbefreiten Ausfuhrleistung reicht nicht aus, um die Gebühr als Nebenleistung oder als Nebenkosten gemäß Artikel 78 zu behandeln.
Da es sich um eine eigenständige Dienstleistung handelt, kann sie nicht in den Genuss einer der in diesem Fall geltend gemachten Steuerbefreiungen kommen. Sie ist nicht nach Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe e) freigestellt, da diese Bestimmung Dienstleistungen vorbehalten ist, die unmittelbar zur physischen Ausfuhr selbst beitragen, was bei der Verwaltung der Erstattungen nach der Ausfuhr nicht der Fall ist. Sie ist auch nicht nach Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe d freigestellt, da die Bearbeitungsgebühr einen Verwaltungsvorgang der steuerfreien Regelung darstellt und nicht die wesentlichen rechtlichen und finanziellen Funktionen einer Zahlung oder Überweisung erfüllt. Der Gerichtshof bestätigt ferner, dass Vertrauensschutz nicht allein aus jahrelangen unbeanstandeten Mehrwertsteuererklärungen oder dem Fehlen von Warnungen vor Gesetzesänderungen erwachsen kann und dass unverbindliche Prüfbescheinigungen keine vergangenen Zeiträume schützen können. Schließlich muss das vereinbarte Honorar, wenn die Mehrwertsteuer geschuldet ist und nicht rückwirkend abgewälzt werden kann, als Bruttobetrag einschließlich Mehrwertsteuer und nicht als Nettopreis mit aufgeschlagener Mehrwertsteuer behandelt werden.
Kurz gesagt: Gebühren für die Bearbeitung von Rückerstattungen, wie sie Határ Diszkont in Rechnung stellt, sind steuerpflichtige Einzelleistungen, für die es keine Ausnahmeregelung gibt, und die Mehrwertsteuer wird auf das berechnet, was der Einzelhändler tatsächlich eingenommen hat.
Quelle: Rechtssache C-427/23 - Határ Diszkont gegen Berufungsabteilung der nationalen Steuer- und Zollbehörde, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
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