Mehrwertsteuerabzug und Unternehmensnachfolge: Wann liegen Beratungskosten im Interesse des Unternehmens?

Zusammenfassung
The District Court of Zeeland-West-Brabant denied a BV (private limited company) the right to deduct VAT on advisory costs for a family business succession involving a share transfer.
The Court ruled that the company was not the actual recipient of the services, as the advice primarily benefited the shareholders' private interests (ownership restructuring) and lacked a direct and immediate link to the company’s taxable economic activities.
The judgment reaffirms that for VAT deduction in succession or reorganization cases, the expenditure must demonstrably serve the company’s taxable business and its operational organization, not just the change in share ownership.
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Am 22. August 2025 fällte das Bezirksgericht von Zeeland-West-Brabant ein Urteil, das für viele Familienunternehmen in den Niederlanden von Bedeutung sein wird. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BV) hatte im Zusammenhang mit der Nachfolge eines Familienunternehmens erhebliche Beratungskosten aufgewendet und die auf diese Leistungen erhobene Mehrwertsteuer abgezogen. Die niederländischen Steuerbehörden (Belastingdienst) waren damit nicht einverstanden und argumentierten, dass die Dienstleistungen nicht mit den geschäftlichen Aktivitäten des Unternehmens, sondern mit den privaten Interessen der Anteilseigner zusammenhingen. Folglich wurden für die Jahre 2015 bis 2019 Umsatzsteuerbescheide einschließlich Zinsen verhängt.
Der Gerichtshof stellte sich auf die Seite der Steuerbehörden. Es entschied, dass die BV nicht der eigentliche Empfänger der Beratungsleistungen war und dass die Kosten nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Tätigkeiten des Unternehmens standen. Diese Entscheidung folgt einem ständigen Trend in der niederländischen und der EU-Rechtsprechung, die strikt zwischen Kosten, die mit dem Unternehmen zusammenhängen, und solchen, die zugunsten der Aktionäre anfallen, unterscheidet.
Sachverhalt und Hintergrund
Der Fall betraf ein Unternehmen, das sich vollständig im Besitz von Mitgliedern derselben Familie befand. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung beauftragten die Anteilseigner mehrere professionelle Berater - Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsexperten - mit der Vorbereitung und Strukturierung der Übertragung der Anteile auf die nächste Generation. Die Rechnungen für diese Dienstleistungen wurden auf das Unternehmen ausgestellt, das sie auch bezahlte, woraufhin die BV die Mehrwertsteuer in ihren regelmäßigen Erklärungen abzog.
Der Steuerprüfer kam zu dem Schluss, dass das Unternehmen nicht der eigentliche Nutznießer der Dienstleistungen war, da die Beratungstätigkeit in erster Linie die Übertragung und Umstrukturierung des Aktienbesitzes betraf. Nach Ansicht des Steuerprüfers dienten die Dienstleistungen eher den privaten Interessen der Anteilseigner als den betrieblichen Aktivitäten des Unternehmens. Infolgedessen wurden zwei Neufestsetzungen der Umsatzsteuer für die Zeiträume 2015-2018 und 2018-2019 erlassen, die sich zusammen auf rund 40.000 Euro an Umsatzsteuer und Zinsen belaufen. Das Unternehmen legte Einspruch ein und machte geltend, dass die Beratung der Kontinuität des Unternehmens zugutekam; dieser wurde jedoch zurückgewiesen und die Angelegenheit an das Bezirksgericht weitergeleitet.
Rechtlicher Rahmen
Nationales Recht
Nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a des niederländischen Mehrwertsteuergesetzes von 1968 (Wet op de omzetbelasting 1968) ist ein Unternehmer zum Abzug der Vorsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen berechtigt, soweit diese für steuerpflichtige geschäftliche Tätigkeiten verwendet werden. Das Gesetz verlangt, dass der Unternehmer der Empfänger der Lieferung ist und dass die Gegenstände oder Dienstleistungen für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens verwendet werden. Ist eine dieser beiden Bedingungen nicht erfüllt, wird das Recht auf Vorsteuerabzug verweigert.
EU-Recht
Auf europäischer Ebene ist derselbe Grundsatz in Artikel 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG) verankert. Die Mehrwertsteuer ist nur dann abzugsfähig, wenn die Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke der eigenen steuerpflichtigen Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Eingangsumsatz und dem steuerbaren Ausgang bestehen. Ist ein solcher Zusammenhang nicht gegeben, kann der Vorsteuerabzug dennoch möglich sein, wenn die Kosten Teil der allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens sind und daher in den Preis der Waren oder Dienstleistungen einfließen.
Dieser Grundsatz wurde in mehreren richtungsweisenden Urteilen klargestellt. In der Rechtssache Cibo Participations (C-16/00) entschied der Gerichtshof, dass eine aktive Holdinggesellschaft die Mehrwertsteuer auf Beratungshonorare im Zusammenhang mit dem Erwerb von Tochtergesellschaften abziehen kann, sofern sich diese Kosten auf ihre steuerpflichtigen Verwaltungsdienstleistungen beziehen. Im Gegensatz dazu verweigerte der Gerichtshof in der Rechtssache C&D Foods (C-502/17) den Vorsteuerabzug, wenn die Kosten im Rahmen eines Aktienverkaufs zur Rückzahlung von Krediten anfielen, der ausschließlich den Interessen der Aktionäre und nicht der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens diente. Der Oberste Gerichtshof der Niederlande ist dieser Argumentation konsequent gefolgt und hat entschieden, dass Beratungsleistungen, die in erster Linie den Interessen der Anteilseigner oder des Eigentümers dienen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, es sei denn, der Steuerpflichtige kann nachweisen, dass die Leistungen die steuerpflichtigen Tätigkeiten des Unternehmens unmittelbar unterstützen.
Anwendung auf den Fall
Das Bezirksgericht Zeeland-West-Brabant stellte zunächst fest, wer der tatsächliche Empfänger der Beratungsleistungen war. Obwohl die Rechnungen formell auf die BV ausgestellt wurden, konzentrierte sich das Gericht auf den Inhalt der Transaktionen und nicht auf ihre Form. Die Dienstleistungen dienten der Gestaltung der Nachfolgestruktur, der Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen und der Erleichterung der Eigentumsübertragung zwischen Familienmitgliedern.
Nach Ansicht des Gerichts kamen diese Dienstleistungen den Gesellschaftern persönlich zugute und nicht den betrieblichen oder kommerziellen Aktivitäten des Unternehmens. Obwohl die Gesellschaft die Rechnungen bezahlte, war sie nicht der eigentliche Empfänger im Sinne des Mehrwertsteuergesetzes. Da die BV nicht der Empfänger war, war bereits die erste Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nicht erfüllt.
Selbst wenn das Unternehmen als Leistungsempfänger anzusehen wäre, so der Gerichtshof weiter, könnten die Beratungsgebühren nicht als allgemeine Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Die Leistungen wurden weder für die steuerpflichtigen Leistungen des Unternehmens verwendet, noch waren sie Teil der Kostenstruktur seiner gewerblichen Tätigkeit. Sie betrafen ausschließlich die interne Umstrukturierung des Aktienbesitzes, eine Angelegenheit, die auf der Ebene der Aktionäre stattfand. Der Gerichtshof berief sich ausdrücklich auf die Argumentation in der Rechtssache C&D Foods: Wenn der Zweck und der Kontext der Dienstleistungen mit den Zielen auf der Ebene der Anteilseigner und nicht mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens verbunden sind, besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang, der den Vorsteuerabzug rechtfertigen würde.
Das Urteil des Gerichts
Das Bezirksgericht wies die Berufung des Unternehmens zurück und bestätigte die von den Steuerbehörden auferlegten Umsatzsteuerbescheide und Zinsen. Es kam zu dem Schluss, dass das Unternehmen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, da es nicht der tatsächliche Empfänger der Dienstleistungen war und die Dienstleistungen nicht für steuerpflichtige Geschäftszwecke verwendet wurden.
Die Argumentation des Gerichtshofs folgt der ständigen Rechtsprechung der EU und der Mitgliedstaaten und unterstreicht, dass die Beweislast beim Steuerpflichtigen liegt. Die bloße Tatsache, dass eine Rechnung an die Gesellschaft adressiert ist, reicht nicht aus, wenn die tatsächlichen Umstände zeigen, dass die Dienstleistungen zum Nutzen der Aktionäre erbracht wurden.
Schlussfolgerung und praktische Bedeutung
Der Fall verdeutlicht die engen Grenzen des Vorsteuerabzugs bei Unternehmensnachfolge, Umstrukturierungen und Eigentumsübertragungen. Sowohl nach niederländischem als auch nach europäischem Recht sind nur solche Dienstleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt, die tatsächlich für das steuerpflichtige Geschäft des Unternehmens genutzt werden. Kosten, die anfallen, um eine Änderung der Eigentumsverhältnisse zu erleichtern, sind nicht abzugsfähig, selbst wenn sie vom Unternehmen bezahlt werden.
In der Praxis bedeutet dies, dass Familienunternehmen und ihre Berater den geschäftlichen Zweck der professionellen Dienstleistungen sorgfältig dokumentieren müssen. Die Tatsache, dass das Unternehmen für die Beratung bei Anteilsübertragungen oder der Nachfolgeplanung zahlt, macht die Kosten nicht automatisch für Mehrwertsteuerzwecke abzugsfähig. Es kommt darauf an, ob die Ausgaben im Zusammenhang mit der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens oder vielmehr mit den privaten Interessen der Gesellschafter stehen. Nur wenn die Beratungsleistungen nachweislich dem Unternehmen dienen - etwa wenn sie die betriebliche Organisation umstrukturieren oder steuerpflichtige Management- oder Unterstützungsleistungen ermöglichen -, ist der Vorsteuerabzug gerechtfertigt. Wenn das Ziel in der Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse, der Vererbung oder der privaten Nachlassplanung liegt, muss das Recht auf Vorsteuerabzug versagt werden.
Im Urteil ECLI:NL:RBZWB:2025:5701 wird bekräftigt, dass der Vorsteuerabzug von der wirtschaftlichen Verwendung der Gegenstände und Dienstleistungen im Rahmen der steuerpflichtigen Tätigkeit eines Unternehmens abhängt. Die Argumentation des Gerichtshofs steht in vollem Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, in der betont wird, dass der Zweck, der Inhalt und der Empfänger von Dienstleistungen für das Recht auf Vorsteuerabzug ausschlaggebend sind und nicht nur die Rechnungs- oder Zahlungsstruktur.
Für Steuerberater und Familienunternehmen ist die Botschaft klar. Bevor ein Nachfolge- oder Umstrukturierungsprojekt in Angriff genommen wird, ist es unerlässlich, eine gründliche Mehrwertsteueranalyse der zu erwartenden Beratungskosten durchzuführen. Der tatsächliche Nutznießer muss ermittelt, die geschäftliche Begründung ordnungsgemäß dokumentiert und die Rechnungsstellung an die wirtschaftliche Realität angepasst werden. Geschieht dies nicht, kann dies zu verweigertem Vorsteuerabzug, kostspieligen Veranlagungen und unnötigen Streitigkeiten führen.
Das Urteil zeigt, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer nur diejenigen schützt, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Steuerpflichtige handeln. Sobald die Kosten in die Sphäre des Eigentums oder des Privatvermögens übergehen, wird die Verbindung zum Unternehmen unterbrochen, und das Recht auf Vorsteuerabzug entfällt.
Quelle: Niederländisches Nationales Dienstleistungszentrum für das Justizwesen - ECLI:NL:RBZWB:2025:5701
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