FedEx EuGH-Fall: Zollverstöße und Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer

Federal Express (FedEx), eines der größten internationalen Kurierunternehmen, befand sich in einem Streit mit dem deutschen Hauptzollamt über die Einfuhr von Waren in die EU. In dem Fall geht es um 18 Lose von Waren, die aus Nicht-EU-Ländern eingeführt und im Laufe des Verfahrens von einem EU-Land in ein anderes verlagert werden. Wegen angeblicher Verstöße gegen die Zollverfahren erhob das deutsche Hauptzollamt Einfuhrzölle und Mehrwertsteuer gegen FedEx.
Hintergrund des Falles
Im Januar 2008 beförderte FedEx einfuhrzollpflichtige Waren aus drei Nicht-EU-Ländern, Israel, Mexiko und den USA, zu verschiedenen Empfängern in Griechenland. Die Waren wurden zunächst auf dem Luftweg in 18 separaten Partien nach Frankfurt (Deutschland) befördert, bevor sie, ebenfalls auf dem Luftweg, nach Griechenland weiterbefördert wurden. Im Oktober 2008 informierte die griechische Zollbehörde die deutschen Behörden, dass die nach Griechenland beförderten Waren gegen die Zollvorschriften verstießen.
Daraufhin stellte das deutsche Hauptzollamt fest, dass 14 der 18 Partien dem deutschen Zoll nicht ordnungsgemäß gestellt worden waren, wie es der EU-Zollkodex verlangt. Darüber hinaus kam die GPCO zu dem Schluss, dass ein solches Vorgehen ein unrechtmäßiges Verbringen in das Zollgebiet der EU darstellt. Daher stellte die GPCO fest, dass bei vier Partien eine Zollschuld aufgrund des unrechtmäßigen Verbringens dieser Waren in den EU-Markt entstanden war.
Bei drei der 18 Partien stellte die GPCO fest, dass die Waren in der vorübergehenden Verwahrung am Frankfurter Flughafen ankamen, aber nach Athen, Griechenland, weitergeleitet wurden, ohne in das vorgeschriebene externe Versandverfahren der Gemeinschaft überführt zu werden. Die Waren wurden also ohne ordnungsgemäße Genehmigung aus dem Lager verbracht. Was die letzte Partie betrifft, für die das externe Versandverfahren von Paris nach Frankfurt ordnungsgemäß abgeschlossen worden war, so wurden die Waren dennoch ohne die erforderliche Genehmigung aus dem Frankfurter Lager verbracht.
Infolgedessen erließ die GPCO am 30. November und 1. Dezember 2010 fünf Bescheide an FedEx, in denen sie die Zahlung von Einfuhrzöllen für alle 18 Partien forderte. Darüber hinaus stellte sie fest, dass auch die Einfuhrumsatzsteuer fällig war, wobei sie die gleichen Regeln wie für die Zölle anwandte, wie sie im deutschen Umsatzsteuergesetz festgelegt sind.
FedEx zahlte die Zölle und die Einfuhrumsatzsteuer wie von der GPCO gefordert. Im November 2011 stellte FedEx jedoch einen Erstattungsantrag mit der Begründung, dass es die Steuern entgegen dem EU-Recht doppelt gezahlt habe. Das Unternehmen fügte hinzu, dass die Waren in Athen in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurden, wo die griechischen Behörden die entsprechenden Einfuhrzölle und die Mehrwertsteuer erhoben. Die GPCO lehnte diese Erstattungsanträge jedoch ab.
Nach den Beschwerden von FedEx passte die GPCO die Steuersätze in zwei der fünf ursprünglichen Bescheide an und gewährte eine Teilerstattung. Dennoch beschloss FedEx, gegen die GPCO vor dem Hessischen Finanzgericht zu klagen und alle fünf Bescheide anzufechten. Letztlich machte FedEx geltend, dass die deutsche Einfuhrumsatzsteuer nicht geschuldet sei, da die Waren nach Griechenland weitergeleitet wurden, ohne in die deutsche Wirtschaft zu gelangen.
Nach Ermittlung des gesamten Sachverhalts und unter Anwendung der ständigen Rechtsprechung war sich das Finanzgericht nicht sicher, ob die Einfuhrumsatzsteuer für die fraglichen Waren in Deutschland wirksam entstanden war. Daher unterbrach das Finanzgericht das Verfahren und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen vor.
Hauptfragen aus dem Vorlagebeschluss
Angesichts der Rechtsunsicherheit bei der Definition des Begriffs "Einfuhr" für Mehrwertsteuerzwecke wollte das Finanzgericht wissen, ob die Einfuhr nach der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, insbesondere nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 30, voraussetzt, dass die in die EU eingeführten Gegenstände in das Wirtschaftsnetz der EU gelangen, oder ob das bloße Risiko eines solchen Verbringens ausreicht, um die Mehrwertsteuerpflicht auszulösen.
Stellt der EuGH fest, dass die Einfuhr an die Bedingung geknüpft ist, dass die Waren in das Wirtschaftsnetz der EU gelangen müssen, so stellt sich die zweite aufgeworfene Frage, ob die Waren automatisch in das Wirtschaftsnetz gelangen, wenn sie nicht in ein ordnungsgemäßes Zollverfahren überführt oder später aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens aus einem solchen entfernt werden, oder ob eine weitere Vermutung erforderlich ist, z. B. dass die Waren im Steuergebiet des EU-Landes, in dem der Zollverstoß begangen wurde, verbraucht oder verwendet worden sein könnten.
Anwendbarer Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen legte der EuGH die einschlägigen Bestimmungen sowohl des EU-Zollkodex als auch der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie aus. Im Einzelnen legte der EuGH die Artikel 40, 50, 91(1)(a), 202(1) und (2) sowie 203(1) und (2) für den Zollkodex aus.
In Bezug auf die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie prüfte der EuGH Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d, in dem festgelegt ist, dass die Einfuhr von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterliegt, sowie Artikel 30, der die Einfuhr als das Verbringen von Waren in die EU definiert, die sich nicht im freien Verkehr befinden, mit einer Erweiterung auf bestimmte Waren, die aus Drittgebieten innerhalb des EU-Zollgebiets stammen. Darüber hinaus wurden auch die Artikel 60 und 61 ausgelegt, die festlegen, dass der Ort der Einfuhr der Mitgliedstaat ist, in dem die Waren in die EU gelangen, bzw. eine Ausnahme von dieser Regel vorsehen.
Darüber hinaus wird in Artikel 70 klargestellt, dass der Steueranspruch bei der Einfuhr von Gegenständen entsteht, und in Artikel 71 wird dies weiter definiert, indem festgestellt wird, dass der Steueranspruch erst dann entsteht, wenn die besonderen Zollregelungen für Gegenstände beim Eintritt in die EU enden. In Fällen, in denen Zölle erhoben werden, wird die Mehrwertsteuer daher zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Zölle erhoben. Wenn hingegen keine Zölle gelten, müssen die EU-Länder die Regeln für Zölle befolgen, um zu bestimmen, wann die Mehrwertsteuer fällig wird.
Nationale deutsche Mehrwertsteuervorschriften
Neben den Paragraphen 1, 13 Absatz 2 und 21 Absatz 2 des deutschen Mehrwertsteuergesetzes verwies der EuGH auch auf Paragraphen 14 der Bundesverordnung über die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer als die für diesen Fall wichtigste Bestimmung. In den Paragraphen des deutschen Mehrwertsteuergesetzes wird dargelegt, dass die Einfuhr von Waren in das deutsche Hoheitsgebiet der Einfuhrsteuer unterliegt, die gleichzeitig mit den Zöllen erhoben wird.
Darüber hinaus legt Paragraph 14 fest, dass die Einfuhrumsatzsteuer in den Fällen der Artikel 235 bis 242 des EU-Zollkodex zu erstatten oder zu erlassen ist, wobei diese Bestimmungen und ihre Durchführungsvorschriften auch analog gelten.
Bedeutung der Rechtssache für Steuerpflichtige
Da sich der Fall mit der Frage befasst, wann und wo die Mehrwertsteuer auf eingeführte Waren fällig wird, insbesondere in Fällen, die den Transit durch mehrere EU-Länder betreffen, kann er für Kurier-, Logistik- und E-Commerce-Unternehmen, die in der gesamten EU tätig sind, von entscheidender Bedeutung sein. Der Fall klärt, ob die bloße Verletzung von Zollformalitäten in einem Transitland automatisch die Mehrwertsteuerpflicht auslöst, was besonders für Unternehmen hilfreich ist, die komplexe Lieferketten und internationale Lieferungen verwalten.
Analyse der Gerichtsentscheidungen
In Bezug auf die erste Frage stellte der EuGH fest, dass die von den nationalen Gerichten vorgelegten Fragen als relevant gelten und er die Beantwortung nur dann ablehnt, wenn das Ersuchen eindeutig keinen Bezug zur Rechtssache hat oder ein ausreichender rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang fehlt.
Der EuGH fügte hinzu, dass die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie eindeutig besagt, dass die Einfuhr von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterliegt, und dass unter Einfuhr das Verbringen von Waren in die EU zu verstehen ist, die sich nicht im freien Verkehr befinden. Darüber hinaus soll die Mehrwertsteuer nach ständiger Rechtsprechung nur für Gegenstände gelten, die tatsächlich in das Wirtschaftsnetz der EU gelangen und dort verbraucht werden können.
Der EuGH kam zu dem Schluss, dass sich aus den Ausführungen des Bundesgerichts ergibt, dass die fraglichen Waren letztlich nach Griechenland befördert und dort verbraucht wurden. Diese Tatsache bestätigt, dass die Waren in das wirtschaftliche Netz der EU im Sinne der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie gelangt sind. Da die Waren innerhalb der EU verbraucht wurden, ist die Frage aufgrund ihres hypothetischen Charakters nach den vom EuGH festgelegten Kriterien für Vorabentscheidungen unzulässig.
Der EuGH wies die zweite Frage jedoch nicht als unzulässig zurück und stellte fest, dass Artikel 60 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie den Ort der Einfuhr zwar als das EU-Land definiert, in dem sich die Waren bei ihrer Einfuhr in die EU tatsächlich befinden, Artikel 61 jedoch eine Ausnahmeregelung vorsieht. Wenn sich Waren, die sich nicht im freien Verkehr befinden, unter besonderen Zollregelungen befinden, wie z. B. externes Versandverfahren oder vorübergehende Einfuhr mit vollständiger Zollbefreiung, verlagert sich der Ort der Einfuhr daher bei der Einfuhr in das EU-Land, in dem diese Regelungen enden.
Darüber hinaus hob der EuGH die Bedeutung von Artikel 71 Absatz 2 hervor, in dem festgelegt ist, dass die Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Abgaben fällig wird, wenn auf die eingeführten Waren Zölle, Agrarabschöpfungen oder ähnliche Abgaben im Rahmen der EU-Politik erhoben werden. Aus der ständigen Rechtsprechung geht hervor, dass die Einfuhrmehrwertsteuer und die Zölle ähnliche grundlegende Merkmale aufweisen: Beide entstehen durch die Einfuhr von Waren in die EU und deren anschließende Verbringung in die Volkswirtschaften der EU-Länder.
Auf der Grundlage des Sachverhalts stellte der EuGH klar, dass, wenn einfuhrabgabenpflichtige Waren in einer Freizone der zollamtlichen Überwachung entzogen werden und sich nicht mehr dort befinden, im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass diese Waren in das Wirtschaftsnetz der EU gelangt sind. Da die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der EU, insbesondere nach Deutschland, verbracht wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sie in Deutschland in das Wirtschaftsnetz der EU gelangt sind.
Ein ähnlicher Grundsatz gilt für Waren, die rechtmäßig in das Zollgebiet verbracht wurden, dann aber in Deutschland der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Bei diesen Waren wird davon ausgegangen, dass sie in Deutschland in das wirtschaftliche Netz der EU gelangt sind, da sie dort nicht mehr unter zollamtlicher Überwachung stehen.
Der Generalanwalt betonte jedoch, dass diese Vermutung widerlegt werden kann, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Waren trotz der Zollverstöße und der daraus resultierenden Zollschuld in Deutschland in einem anderen EU-Land, z. B. in Griechenland, in das wirtschaftliche Netz der EU gelangt sind und dort letztlich verbraucht wurden. In diesem Fall wird die Einfuhrumsatzsteuer in diesem EU-Land fällig.
Die Waren waren also zwar in Deutschland zollrechtswidrig, wurden aber lediglich zwischen Flugzeugen auf deutschem Gebiet befördert. Die Verstöße führten dazu, dass die GPCO die Aufsicht über die Waren verlor, insbesondere die Möglichkeit, ihre Bewegung zu verfolgen. Dennoch wurde im Laufe des Verfahrens festgestellt, dass die Waren nach Griechenland transportiert und dort verbraucht wurden.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Der EuGH erklärte zwar die erste Frage für unzulässig, kam aber zu dem Schluss, dass Verstöße gegen die Zollvorschriften in einem EU-Land, die zu einer Zollschuld führen, nicht ausreichen, um darauf zu schließen, dass die Waren in diesem EU-Land in das Wirtschaftsnetz der EU gelangt sind.
Da die Waren nachweislich in ein anderes EU-Land, in diesem Fall Griechenland, befördert und dort verbraucht wurden, gilt dieses Land als Endbestimmungsort und als Ort des Eintritts in das wirtschaftliche Netz der EU. Folglich wird die Einfuhrumsatzsteuer ausschließlich in Griechenland geschuldet.
Schlussfolgerung
Das EuGH-Urteil bekräftigt den Grundsatz, dass die Einfuhrumsatzsteuer die wirtschaftliche Realität und nicht nur Verfahrensfehler widerspiegeln muss, und betont, dass die Mehrwertsteuer nur in dem EU-Land fällig wird, in dem die Waren letztendlich verbraucht werden. Eine solche Entscheidung stellt sicher, dass die Steuerschuld nicht aufgrund von logistischen Fehlern oder Zollunregelmäßigkeiten über die Grenzen hinweg in unfairer Weise verdoppelt wird.
Quelle: Rechtssache C-26/18 - Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung gegen Deutsches Hauptzollamt, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates - Zollkodex

Ausgewählte Einblicke

FedEx EuGH-Fall: Zollverstöße und Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer
🕝 July 31, 2025
EuGH-Urteil zu reimportierten Waren und Mehrwertsteuerbefreiung geklärt
🕝 July 17, 2025
Mehrwertsteuer und die Verordnung vom Juni 2025: Was Energiekunden wissen müssen
🕝 June 26, 2025
EuGH-Urteil Luxury Trust Automobil: Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte und Mehrwertsteuerregeln
🕝 June 18, 2025Mehr Nachrichten von Deutschland
Erhalten Sie Echtzeit-Updates und Entwicklungen aus aller Welt, damit Sie informiert und vorbereitet sind.