EuGH-Urteil zur Mehrwertsteuer klärt, wann Mehrwertsteuer auf einmalige Dienstleistungen fällig wird

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In dem Fall zwischen Unternehmen X und dem deutschen Finanzamt geht es um die umsatzsteuerliche Behandlung von Vermittlungsleistungen, die Unternehmen X im Jahr 2012 für Unternehmen T im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks erbracht hat.
Der Hauptstreitpunkt zwischen Unternehmen X und dem Finanzamt war der Zeitpunkt, zu dem die Mehrwertsteuer auf das gesamte Honorar hätte gezahlt werden müssen, da die Unternehmen X und T vereinbart hatten, dass die Zahlung in fünf jährlichen Raten ab Mitte 2013 erfolgen würde.
Hintergrund des Falles
Im Jahr 2012 vereinbarten die in Deutschland ansässigen Unternehmen X und T eine Vergütung in Höhe von 1 Mio. EUR zuzüglich Mehrwertsteuer für Maklerdienste, die Unternehmen X für Unternehmen T erbrachte. Die Unternehmen vereinbarten, dass die Zahlung in fünf Jahresraten ab Mitte 2013 erfolgen sollte. Unternehmen X stellte Rechnungen aus und zahlte die Mehrwertsteuer erst nach Erhalt der einzelnen Raten.
Nach einer Steuerprüfung im Jahr 2016 stellte das deutsche Finanzamt jedoch fest, dass die Mehrwertsteuer auf das gesamte Honorar im Jahr 2012, dem Jahr der Leistungserbringung, hätte gezahlt werden müssen. Nachdem der Einspruch des Unternehmens X vor dem Finanzamt abgelehnt worden war, focht es die Entscheidung vor dem Finanzgericht an, das zu dem Schluss kam, dass die Dienstleistung tatsächlich im Jahr 2012 erbracht wurde, die Zahlung der späteren Raten aber ungewiss war. Daher könnten diese Beträge als uneinbringlich behandelt werden.
Außerdem stützte sich das Finanzgericht auf die Bestimmungen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, die eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage bei ausbleibender Zahlung zulassen, um zu verhindern, dass Unternehmen X die Mehrwertsteuer für noch nicht bezahlte Dienstleistungen vorfinanzieren muss.
Das Finanzamt legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof ein, der die Frage aufwarf, wie Artikel 64 Absatz 1 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie auf Dienstleistungen anzuwenden sei, die einmalig erbracht, aber in Raten bezahlt werden.
Darüber hinaus äußerte der Bundesfinanzhof Bedenken, ob eine wörtliche Auslegung des Artikels zu einer ungerechtfertigten Diskrepanz zwischen der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gegenständen und Dienstleistungen führen und auch dem Grundsatz in Artikel 63 derselben Richtlinie widersprechen könnte, wonach die Mehrwertsteuer im Allgemeinen zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung fällig wird.
Darüber hinaus war sich der Bundesfinanzhof nicht sicher, ob Artikel 90 Absatz 1 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie Anwendung finden sollte, da dieser Artikel eine Berichtigung der Mehrwertsteuer zulässt, wenn die Zahlung nicht erfolgt ist. Dies könnte relevant sein, da das Unternehmen X, das seine Leistung im Jahr 2012 erbracht hatte, erst ab Mitte 2013 Abschlagszahlungen erhielt.
Aufgrund dieser Unsicherheiten, welcher Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie auf den konkreten Fall anzuwenden ist, hat der Bundesfinanzhof das Verfahren unterbrochen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hauptfragen aus dem Vorabentscheidungsersuchen
Unter Abwägung aller Zweifel und Gesichtspunkte wollte der Bundesfinanzhof wissen, ob eine Leistung, die einmalig, d.h. ohne zeitliche Staffelung erbracht wird, allein deshalb noch in den Anwendungsbereich des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL fallen kann, weil die Parteien eine Ratenzahlung vereinbart haben.
Falls die erste Frage verneint wird, d. h. Artikel 64 Absatz 1 nicht anwendbar ist, lautet die zweite Frage, ob die Situation stattdessen unter Artikel 90 Absatz 1 fallen könnte, der eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage im Falle der Nichtzahlung ermöglicht.
Konkret möchte das Gericht wissen, ob die Vereinbarung von fünfjährigen Ratenzahlungen als teilweise Nichtzahlung zu behandeln ist, insbesondere wenn das innerstaatliche Recht einen Mechanismus vorsieht, mit dem eine etwaige Minderung der Steuerbemessungsgrundlage später wieder rückgängig gemacht werden kann, wenn die Zahlung schließlich eingeht.
Geltender Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
In Bezug auf den einschlägigen Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie berücksichtigte der EuGH den Erwägungsgrund 24, in dem die Bedeutung der Harmonisierung der Begriffe des Steuertatbestands und des Zeitpunkts der Entstehung des Steueranspruchs in der gesamten EU hervorgehoben wird, sowie Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b, in dem es heißt, dass über die allgemeine Definition einer Lieferung von Gegenständen hinaus auch die tatsächliche Übertragung von Gegenständen im Rahmen bestimmter Arten von Verträgen als solche zu behandeln ist.
Artikel 63, der die allgemeine Regel aufstellt, dass der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen entsteht, und Artikel 64, der eine Ausnahme für Umsätze mit aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen vorsieht, wonach in diesen Fällen die Lieferung am Ende des jeweiligen maßgeblichen Zeitraums als bewirkt gilt, war der zentrale Punkt des Falls.
Darüber hinaus bietet Artikel 66 den EU-Ländern die Möglichkeit, von den allgemeinen Vorschriften abzuweichen und die Erhebung der Mehrwertsteuer zu anderen Zeitpunkten zuzulassen, z. B. bei Ausstellung der Rechnung, bei Zahlungseingang oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Eintritt des Steuertatbestands, wenn keine rechtzeitige Rechnung ausgestellt wird.
Da er Teil der Vorlagefrage ist, wurde Artikel 90, der sich mit Situationen befasst, in denen die vereinbarte Zahlung für eine Lieferung nicht vollständig erfolgt, ebenfalls analysiert und für diesen Fall ausgelegt.
Schließlich wurden auch die Artikel 193 und 226 berücksichtigt, die den allgemeinen Grundsatz aufstellen, dass die Mehrwertsteuer von dem Steuerpflichtigen geschuldet wird, der eine steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen oder eine steuerpflichtige Dienstleistung ausführt, und in denen die obligatorischen Angaben festgelegt sind, die auf Mehrwertsteuerrechnungen enthalten sein müssen.
Nationale deutsche MwSt-Vorschriften
Die Bestimmungen der Artikel 13 Absatz 1 Nummer 1, 17 und 20 des deutschen Umsatzsteuergesetzes waren für diesen Fall ausschlaggebend. In Artikel 13 wird festgelegt, wann der Steueranspruch entsteht, während Artikel 17 Berichtigungen der Steuerbemessungsgrundlage regelt.
Darüber hinaus erlaubt Artikel 20 kleinen Steuerpflichtigen, die Mehrwertsteuer auf der Grundlage der tatsächlich erhaltenen Zahlungen und nicht auf der Grundlage der in Rechnung gestellten oder vereinbarten Beträge zu berechnen.
Bedeutung der Rechtssache für Steuerpflichtige
Obwohl Ratenzahlungen häufig für laufende Dienstleistungen vereinbart werden, sind Situationen, in denen die Dienstleistung einmalig erbracht wird und die Zahlungen in Raten erfolgen, auch nicht so selten. Für Steuerpflichtige, bei denen diese Art von Zahlungen Teil ihres Geschäfts ist, können die Argumente und Schlussfolgerungen dieses EuGH-Urteils daher relevant sein, um zu verstehen, wann der Mehrwertsteueranspruch entsteht.
Die Kenntnis des Zeitpunkts der Entstehung des Mehrwertsteueranspruchs bei Zahlungseingängen kann sich erheblich auf den Cashflow und die finanzielle Belastung von Unternehmen auswirken, die Dienstleistungen im Voraus erbringen, aber Zahlungen in Raten erhalten.
Analyse der Gerichtsentscheidungen
Zunächst betonte der EuGH, dass Artikel 64 im Zusammenhang mit Artikel 63 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie zu verstehen ist, da die beiden Bestimmungen eng miteinander verknüpft sind. Artikel 63 legt die allgemeine Regel fest, dass der Steuertatbestand zu dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung tatsächlich erbracht wird. In Artikel 64 werden dagegen Ausnahmen von dieser Regel für Fälle definiert, in denen die Erbringung von Dienstleistungen mit aufeinanderfolgenden Zahlungen verbunden ist.
In solchen Fällen entsteht der Steueranspruch am Ende jedes Zeitraums, der der erhaltenen Zahlung entspricht. Dies wird auch durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigt, die besagt, dass bei aufeinanderfolgenden Zahlungen der Steuertatbestand mit dem Ablauf des jeweiligen Zahlungszeitraums eintritt.
Darüber hinaus legte der EuGH den Wortlaut von Artikel 64 Absatz 1 aus und betonte, dass die Mehrwertsteuerschuld am Ende der Zeiträume entsteht, denen die aufeinanderfolgenden Zahlungen entsprechen. Die Dienstleistung oder Lieferung muss jedoch während dieser Zeiträume erfolgen. Folglich reicht es nicht aus, Artikel 64 Absatz 1 auf die Leistung anzuwenden, auch wenn die Zahlung in Teilbeträgen erfolgt. Es muss also ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Dienstleistung und den Zeiträumen bestehen, in denen sie erbracht wird.
Darüber hinaus dient Artikel 64 als Mechanismus zur Bestimmung des Zeitpunkts der Entstehung des Steueranspruchs, aber seine Anwendung ist auf Situationen beschränkt, in denen der Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung unklar ist. Genauer gesagt gilt er, wenn es sich um kontinuierliche oder wiederkehrende Dienstleistungen handelt, die sich über bestimmte Zeiträume erstrecken.
In Bezug auf die Anwendung von Artikel 90 Absatz 1 hat der EuGH hervorgehoben, dass er eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vorschreibt, wenn der Preis für eine Dienstleistung nach dem Umsatz annulliert, gemindert oder ganz oder teilweise nicht bezahlt wird. Daher wird die Mehrwertsteuer nur auf den Betrag geschuldet, der letztlich als Entgelt oder Gegenleistung erhalten wird. Wenn ein Steuerpflichtiger die Zahlung ganz oder teilweise nicht erhält, sollte er folglich nicht mehrwertsteuerpflichtig sein.
Zahlt ein Käufer jedoch den vereinbarten Preis ganz oder teilweise nicht, obwohl der Vertrag weiterhin gültig ist, kann der Verkäufer die Zahlung dennoch vor Gericht einfordern. Auch wenn der Verkäufer seinen Anspruch rechtlich geltend machen kann und die Schuld rechtlich besteht, besteht eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf ihre Einziehung, was bedeutet, dass die Nichtzahlung schließlich endgültig uneinbringlich werden kann.
Der EuGH fügte hinzu, dass sich die Nichtzahlung gemäß Artikel 90 Absatz 1 ausdrücklich auf Fälle bezieht, in denen ein Käufer eine noch vertraglich geschuldete Forderung nicht bezahlt.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Der EuGH entschied, dass Artikel 64 Absatz 1 nicht auf Dienstleistungen anwendbar ist, die einmalig erbracht und vom Empfänger in Raten bezahlt werden, da es sich nicht um kontinuierliche oder wiederkehrende Dienstleistungen handelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Artikel 90 Absatz 1 anwendbar ist.
Artikel 90 Absatz 1 gilt für vereinbarte Ratenzahlungen, die noch nicht fällig sind. Insbesondere können unbezahlte Raten nicht als Nichtzahlung angesehen werden. Eine Kürzung der MwSt-Bemessungsgrundlage ist daher nicht gerechtfertigt.
Schlussfolgerung
Im Anschluss an das EuGH-Urteil, in dem hervorgehoben wird, dass weder Art. 64 Abs. 1 noch Art. 64 Abs. 1 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie auf den vorliegenden Fall anwendbar sind, hat der vorlegende Bundesfinanzhof die Revision des Finanzamts zugelassen und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Der EuGH bekräftigte in seiner Entscheidung jedoch, dass der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung entsteht, sofern nicht bestimmte Ausnahmen gelten. Außerdem betonte das Gericht, dass vereinbarte Ratenzahlungen mit zukünftigen Fälligkeitsterminen nicht als Nichtzahlung im Sinne der EU-Mehrwertsteuervorschriften angesehen werden können.
Quelle: Rechtssache C-324/20 X-Beteiligungsgesellschaft mbH gegen Finanzamt, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, Deutscher Bundesfinanzhof

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