EuGH-Urteil: Fenix International vs. HMRC - OnlyFans VAT Fall erklärt

Der Fall Fenix International Limited (Fenix), ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen, gegen die britische Steuerbehörde Her Majesty's Revenue and Customs (HMRC) bezieht sich auf einen Fall, in dem Fenix als Betreiber einer beliebten digitalen Online-Plattform, OnlyFans, es versäumt hat, die fällige Mehrwertsteuer ordnungsgemäß zu entrichten, wie HMRC feststellt.
Die Online-Plattform OnlyFans hat zwei Nutzer: Ersteller (Anbieter von Dienstleistungen) und Endkunden. Die Plattform ermöglicht es ihren Urhebern, Originalinhalte hochzuladen und an Nutzer zu verkaufen, die bereit sind, die von den Urhebern festgelegten Gebühren zu zahlen.
Der Streit zwischen Fenix und HMRC entstand durch die unterschiedliche Auslegung der Frage, wie der aus diesen Gebühren erzielte Umsatz zu besteuern ist.
Hintergrund des Falles
Der Streit zwischen Fenix und dem HMRC geht auf das Jahr 2020 zurück, als das HMRC nach einer Steuerprüfung eine Reihe von Umsatzsteuerbescheiden an Fenix schickte, in denen es behauptete, Fenix habe die fällige Umsatzsteuer nicht korrekt berechnet, gemeldet und abgeführt.
Fenix zog die von den Nutzern an die Urheber gezahlten Gebühren ein, zog von dem angegebenen Betrag 20 % als Gebühr für die den Urhebern erbrachten Dienstleistungen ab und schüttete die restlichen 80 % der Gebühr an die Urheber aus. In seinen MwSt.-Berichten berechnete und verbuchte Fenix den 20 %igen MwSt.-Satz nur auf die 20 %ige Abgabe, die den Urhebern in Rechnung gestellt wurde, und nicht auf die gesamten von den Nutzern gezahlten Einnahmen.
In seiner Beurteilung erklärte das HMRC, dass Fenix gemäß Artikel 9a der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 so behandelt werden sollte, als ob es in seinem Namen handelte, und dass die Mehrwertsteuer auf den gesamten von den Nutzern erhaltenen Betrag und nicht nur auf den 20 %igen Abzug berechnet und abgeführt werden sollte.
Als Reaktion auf diese Feststellungen in den Steuerbescheiden legte Fenix beim First-tier Tribunal - Tax Chamber (FTT) Berufung ein und focht die Gültigkeit der Umsetzung von Artikel 9a in britisches Recht an. Fenix argumentierte, dass Artikel 9a über das hinausgehe, was dem Rat bei der Schaffung der für die Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderlichen Maßnahmen rechtlich erlaubt sei, und dass er als solcher im Widerspruch zu den Befugnissen stehe, die Artikel 397 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie gewähre; daher sollte er in ihrem Fall nicht gelten.
Darüber hinaus machte Fenix geltend, dass Artikel 9a nicht mit Artikel 28 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sei, da er die Plattformen dazu zwinge, die Rolle von Anbietern zu übernehmen, und somit die Handels- und Wirtschaftsfreiheit verändere, wenn die Plattform die Mehrwertsteuerlast tragen müsse.
Bei der Prüfung und Auslegung des nationalen und des EU-Rechts stellte die FTT fest, dass sie sich nicht sicher ist, ob Artikel 9a in die Zuständigkeit des Rates fällt oder ob er über den beabsichtigten Zweck einer einfachen Klarstellung der Mehrwertsteuerrichtlinie hinausgeht. Konkret stellte die FTT fest, dass die im ersten Absatz von Artikel 9a genannten Regeln für alle Steuerpflichtigen gelten könnten, die an der Erbringung von Online-Dienstleistungen beteiligt sind.
Dies ist keine kleine, technische Anpassung, sondern eine bedeutende Änderung des Rechtsrahmens. Die FTT ist der Ansicht, dass dies die ursprüngliche Absicht der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie in Artikel 28 und frühere Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) untergraben könnte. Angesichts dieser Ungewissheit hat die FTT das Verfahren unterbrochen und den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht.
Hauptfragen aus dem Ersuchen um Vorabentscheidung
Die Hauptfrage, die die FTT in ihrem Vorabentscheidungsersuchen stellte, ist, ob Artikel 9a ungültig sein könnte, da er die dem Europäischen Rat durch Artikel 397 der Mehrwertsteuerrichtlinie übertragene Befugnis zu überschreiten scheint. Die FTT war sich nicht sicher, ob der Rat seine Kompetenzen überschritten hat. Anstatt lediglich einen bestimmten Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie zu präzisieren, führte er neue Regeln und Änderungen an Artikel 28 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ein.
Geltender Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Mehrere Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie beziehen sich auf diesen Fall. Die beiden offensichtlichsten sind die Artikel 28 und 397. Artikel 28 besagt, dass Steuerpflichtige aus mehrwertsteuerlicher Sicht so behandelt werden, als würden sie Dienstleistungen an Verbraucher erbringen, auch wenn sie für ein anderes Unternehmen, den Hauptlieferanten, tätig sind.
Andererseits kann der Rat gemäß Artikel 397 auf Vorschlag der Kommission die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie erlassen.
Die Erwägungsgründe 61 bis 64 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie sind jedoch auch für diesen Fall von entscheidender Bedeutung, da sie besagen, dass die MwSt-Vorschriften in allen EU-Ländern einheitlich angewandt werden müssen und dass es dem Rat obliegt, die so genannten Durchführungsmaßnahmen als zusätzliche Vorschriften zu erlassen, die zur Klärung und Vereinheitlichung der Anwendung der MwSt beitragen. Ein weiterer Grund für diese dem Rat übertragene Ermächtigung ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Umsätzen.
Der wichtigste Artikel im Zusammenhang mit diesem Fall ist schließlich Artikel 9a Absatz 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, der für Online-Marktplätze, digitale Plattformen oder Schnittstellen gilt, die elektronische Dienstleistungen wie Apps oder digitale Inhalte anbieten. Nach diesem Artikel gelten digitale Plattformen aus mehrwertsteuerlicher Sicht als Anbieter, wobei eine Ausnahme gilt, wenn der tatsächliche Anbieter in den Dokumenten und Vereinbarungen eindeutig identifiziert wird.
Nationale MwSt-Vorschriften des Vereinigten Königreichs
Das Ersuchen um eine Vorabentscheidung und die Entscheidung des EuGH bezogen sich nicht auf die nationalen Mehrwertsteuervorschriften des Vereinigten Königreichs. Die wichtigsten Fragen in diesem Fall betrafen die Anwendung der in der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie und der Durchführungsverordnung enthaltenen Vorschriften.
Bedeutung des Falles für Steuerpflichtige
Der sogenannte OnlyFans-Fall ist für Steuerpflichtige von großer Bedeutung, da er die EU-Mehrwertsteuervorschriften und die mehrwertsteuerlichen Pflichten digitaler Plattformen klärt. Darüber hinaus wirkt sich dieser Fall auf digitale Plattformen aus, indem er festlegt, in welchen Situationen und bei welchen Umsätzen sie für MwSt-Zwecke als Vermittler von Lieferungen gelten.
Da das digitale Zeitalter und digitale Online-Plattformen den Alltag immer stärker beeinflussen, zeigt dieser Fall, wie wichtig die Auslegung und Anwendung der EU-Mehrwertsteuervorschriften für Online-Marktplätze und digitale Plattformen sowie ein kohärenter Ansatz zur Umsetzung dieser EU-weiten Vorschriften sind.
Analyse der Gerichtsentscheidungen
Der EuGH stellte fest, dass die Mitgliedstaaten zwar für die Umsetzung der EU-Mehrwertsteuervorschriften zuständig sind, der Rat jedoch die erforderlichen Maßnahmen erlassen kann, um eine einheitliche Anwendung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie auf EU-Ebene zu gewährleisten. Dieser Befugnis sind jedoch Grenzen gesetzt.
Die Grenze für die Ausübung dieser Befugnis ist so gezogen, dass der Rat nur die nicht-wesentlichen Einzelheiten der Rechtsvorschriften durch Durchführungsmaßnahmen festlegen kann. Das bedeutet, dass die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie alle wesentlichen Vorschriften festlegt und dass mit den Durchführungsmaßnahmen keine neuen oder wesentlichen Vorschriften eingeführt werden dürfen, die im Widerspruch zu den Vorschriften der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie stehen oder diese umdefinieren könnten.
Vor diesem Hintergrund kam der EuGH zu dem Schluss, dass der Rat im Rahmen der ihm eingeräumten Rechte und Befugnisse gehandelt hat und dass die strittigen Bestimmungen lediglich die Anwendung der MwSt-Vorschriften für elektronisch erbrachte Dienstleistungen präzisieren. Der EuGH stellte fest, dass die Durchführungsmaßnahmen die wesentlichen Bestimmungen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, insbesondere Artikel 28, ergänzen, ohne diese zu ändern oder zu ergänzen.
Darüber hinaus fügte der EuGH hinzu, dass diese Durchführungsmaßnahme notwendig war, um die einheitliche Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften und -regelungen in der EU zu gewährleisten, wie z.B. die Vorschriften über die Besteuerung der Erbringung von elektronisch erbrachten Dienstleistungen an Verbraucher. Darüber hinaus verhindern die vom Rat angenommenen Durchführungsmaßnahmen die Doppelbesteuerung von erbrachten Dienstleistungen.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Nach sorgfältiger Prüfung und bewusster Faktenkontrolle fand der EuGH keinen Grund zu der Annahme, dass Artikel 9a Absatz 1 der Durchführungsverordnung im Widerspruch zu anderen EU-Vorschriften und -Verordnungen steht, und bestätigte damit, dass er rechtlich einwandfrei ist.
Schlussfolgerung
Das EuGH-Urteil hat bahnbrechende Auswirkungen auf viele Branchen und Unternehmen, die digitale Dienstleistungen über Online-Marktplätze oder Plattformen anbieten. Dieser Fall zementiert die Verantwortung und Haftung digitaler Plattformen für die Erhebung und Abführung der Mehrwertsteuer als "deemed suppliers".
Außerdem werden in der Entscheidung die Grenzen der dem Rat übertragenen Durchführungsbefugnisse erläutert. Er unterstreicht, dass der Rat in Bezug auf Artikel 28 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie und Artikel 9a Absatz 1 der Durchführungsverordnung diese Befugnisse nicht überschritten hat, sondern im Rahmen seiner Rechte gehandelt hat.
Quelle: Rechtssache Nr. C-695/20 - Fenix International Limited gegen Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs,EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, Kurie - Schlussanträge des Generalanwalts

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