EuGH Rechtssache C-368/21: Bestimmung des Ortes der Einfuhr von Fahrzeugen in die EU - Analyse der Mehrwertsteuer und der Zollabgaben

In dem Fall zwischen R.T., einem in Deutschland ansässigen Bürger, und dem Finanzgericht Hamburg geht es um die Frage, wo die Zölle und die Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten sind, wenn ein Fahrzeug aus einem Drittland eingeführt wird, mehrere EU-Länder durchquert und seinen endgültigen Bestimmungsort erreicht.
In dem Fall geht es darum, welches EU-Land das Einfuhrland für ein Fahrzeug ist, wenn der Eigentümer gegen Zollvorschriften verstößt und das Fahrzeug erstmals in einem EU-Land verwendet wird, während es später ständig in einem anderen EU-Land genutzt wird.
Hintergrund des Falles
R.T. ist ein in Deutschland wohnhafter Mann, der im Januar 2019 ein in Georgien zugelassenes Fahrzeug kaufte und es von Georgien nach Deutschland fuhr, wobei er die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich durchquerte. Bei dieser Gelegenheit stellte R.T. das Fahrzeug nicht bei der Einfuhrzollstelle vor.
Später, im Jahr 2019, kontrollierte das Zollamt das Fahrzeug und erließ einen Zollbescheid, in dem R.T. 4.048,13 EUR an Zöllen und 8.460,59 EUR an Einfuhrumsatzsteuer zu zahlen hatte.
R.T. legte beim Zoll Einspruch ein, der jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin leitete R.T. ein Verfahren zur Aufhebung dieses Bescheids vor dem Finanzgericht Hamburg ein. R.T. beanstandete jedoch nur den Betrag der Einfuhrumsatzsteuer, nicht aber die Zollgebühren.
Das Finanzgericht bezweifelte zwar nicht, dass die deutschen Behörden zur Erhebung der Zollschuld befugt sind, war sich aber nicht sicher, ob das Zollamt auch den Betrag der Einfuhrumsatzsteuer festsetzen kann. Der Gerichtshof fügte hinzu, dass dies davon abhängt, ob Deutschland als Einfuhrort im Sinne der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie gilt, auch wenn das Fahrzeug in Bulgarien in die EU eingeführt wurde.
Der Gerichtshof stellte fest, dass seiner Ansicht nach die Einfuhrumsatzsteuer nur in einem EU-Land erhoben werden kann, in das die Waren eingeführt werden. Darüber hinaus hob der Gerichtshof hervor, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Ort der Einfuhr Bulgarien sein sollte, wo das Fahrzeug zuerst benutzt wurde. Wie in früheren EuGH-Urteilen festgestellt wurde, könnte die Mehrwertsteuer jedoch in Deutschland fällig werden, wenn das Fahrzeug für den dortigen Verbrauch bestimmt war.
Der Gerichtshof stellte jedoch fest, dass sich die gesamte frühere Rechtsprechung auf Waren bezog, die transportiert wurden, während im vorliegenden Fall das Fahrzeug als Transportmittel eingeführt wird. Der Gerichtshof führte weiter aus, dass nach der deutschen Rechtsprechung der Ort der Einfuhr für Transportmittel derselbe ist wie für Waren, in diesem Fall also Bulgarien.
Dies würde jedoch der Entscheidung des EuGH widersprechen, wonach das Fahrzeug zwar über Bulgarien in das Zollgebiet der EU gelangte, aber in Deutschland, dem Heimatland des Klägers, benutzt wurde.
Aufgrund der Unsicherheit bei der Auslegung der Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Rechtsprechung beschloss das Gericht, dem EuGH zwei Fragen vorzulegen.
Hauptfragen aus dem Ersuchen um Vorabentscheidung
Die erste dem EuGH vorgelegte Frage lautet, ob sich der Ort der Einfuhr eines in einem Drittland für MwSt-Zwecke registrierten Beförderungsmittels gemäß Artikel 30 und 60 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie danach bestimmt, wo der Zollverstoß begangen und das Fahrzeug erstmals in der EU verwendet wurde, oder ob er sich nach dem Wohnsitz des Steuerpflichtigen richtet, der das Fahrzeug verwendet.
Angenommen, der Ort der Einfuhr gemäß der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ist ein anderes EU-Land als Deutschland. In diesem Fall lautet die zweite Frage, ob Deutschland die Einfuhrumsatzsteuer durch Anpassung der Zollvorschriften und Anwendung von Artikel 87 Absatz 4 des Zollkodex auf die Einfuhrumsatzsteuer trotzdem erheben kann.
Anwendbarer Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Abgesehen von Artikel 2 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, in dem festgelegt ist, dass eingeführte Gegenstände der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen, standen bei der Entscheidung dieses Falles die Artikel 30, 60 und 71 im Mittelpunkt.
Artikel 30 definiert die Einfuhr von Waren als das Verbringen von Waren in die EU, die sich nicht im freien Verkehr befinden, und Artikel 60 besagt, dass der Ort der Einfuhr das EU-Land ist, in dem sich die Waren befinden, wenn sie in die EU gelangen.
In Artikel 71 ist jedoch festgelegt, dass die Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn die Waren im Rahmen von Sonderregelungen in die EU gelangen, z. B. im Rahmen der vorübergehenden Einfuhr mit Zollbefreiung, wenn sie diese Regelungen verlassen. Die Mehrwertsteuer wird jedoch gleichzeitig mit den Zöllen erhoben, wenn die Waren zollpflichtig sind. Wenn keine Zölle erhoben werden, können die EU-Länder nach ihren nationalen Vorschriften festlegen, wann die Mehrwertsteuer fällig wird.
Zusätzlich zu den Artikeln der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie wurden bei der Entscheidung auch die Artikel 79 und 87 des Zollkodex berücksichtigt. Artikel 79 regelt, dass die Zollschuld entsteht, wenn Einfuhrabgaben aufgrund der Nichteinhaltung von Zollvorschriften fällig sind.
Darüber hinaus legt Artikel 87 Regeln für die Bestimmung des Entstehungszeitpunkts der Zollschuld fest. Generell gilt, dass sie dort entsteht, wo die Zollanmeldung abgegeben wird. In anderen Fällen ist es der Ort, an dem die Zuwiderhandlung oder das Ereignis, das die Zollschuld auslöst, stattgefunden hat. Kann dieser Ort nicht bestimmt werden, entsteht die Zollschuld dort, wo die Behörden die Waren in einer Zollschuldsituation vorfinden. Beträgt die Zollschuld weniger als 10.000 EUR, wird sie so behandelt, als sei sie in dem EU-Land entstanden, in dem die Waren entdeckt wurden.
Nationale MwSt-Vorschriften in Deutschland
Nach Artikel 21 Absatz 2 des deutschen Umsatzsteuergesetzes gelten für die Einfuhrumsatzsteuer dieselben Vorschriften wie für die Zölle, die in diesem Fall als einzige in Betracht kamen.
Bedeutung des Falles für Steuerpflichtige
Dieser Fall ist für die Steuerpflichtigen in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen hilft er ihnen zu verstehen, wo und wann Zölle und Einfuhrumsatzsteuer für eingeführte Waren, die auf Fahrzeugen befördert werden, und für die Einfuhr von Beförderungsmitteln erhoben werden.
Darüber hinaus wird in diesem Fall klargestellt, in welchem EU-Land und unter welchen Umständen die Zollschuld entsteht. Dies hilft den Steuerpflichtigen weiter, zu verstehen, wo ihre Zollschuld entsteht, wenn sie aufgrund eines Verstoßes gegen die EU-Zoll- und -Mehrwertsteuervorschriften festgestellt wird. Schließlich unterstreicht das Urteil die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Zöllen und Einfuhrumsatzsteuer.
Analyse der Feststellungen des Gerichtshofs
Der EuGH stellte fest, dass die Einfuhrumsatzsteuer und die Zölle ähnliche Merkmale aufweisen, da sie beide bei der Einfuhr von Waren in die EU anfallen, was in einigen früheren Fällen und Urteilen des EuGH bestätigt wurde. Daher gelten für die Einfuhrumsatzsteuer dieselben Regeln für die Anrechenbarkeit wie für Zölle.
Darüber hinaus kann die Mehrwertsteuer auch fällig werden, wenn ein rechtswidriges Verhalten die Zollschuld auslöst. In diesem Fall wurden die in die EU eingeführten Waren wahrscheinlich verbraucht, was den Steuertatbestand der Mehrwertsteuer darstellt. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Waren trotz des Verstoßes gegen die Zollvorschriften in einem EU-Land über ein anderes EU-Land in die EU verbracht wurden, wo sie zum Verbrauch bestimmt waren. In diesem Fall ist die Mehrwertsteuer in dem zweiten EU-Land zu entrichten.
In Bezug auf die Einfuhr von Fahrzeugen stellte der EuGH fest, dass bei der Einfuhr eines Fahrzeugs unter Verstoß gegen die Zollvorschriften davon ausgegangen wird, dass das Fahrzeug in die EU gelangt ist, in der der Eigentümer seinen Wohnsitz hat. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug in einem EU-Land in die EU eingeführt und dann in ein anderes EU-Land verbracht wird. Daher wird die Einfuhrumsatzsteuer in dem EU-Land geschuldet, in dem das Fahrzeug genutzt wird, und nicht unbedingt dort, wo es zuerst in die EU gelangt ist.
Der EuGH betonte, dass selbst wenn die erste Nutzung eines Fahrzeugs in einem EU-Land als eine Form des Verbrauchs angesehen wird, es darauf ankommt, wo das Fahrzeug letztendlich genutzt werden soll. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Waren in dem EU-Land als Teil des EU-Marktes gelten, in dem sie für den Endverbrauch bestimmt sind.
Daher muss ein in einem Drittland zugelassenes Fahrzeug in dem EU-Land, in dem sein Eigentümer wohnt, als in die EU gelangt gelten, auch wenn es zuerst in die EU eingeführt und in einem anderen EU-Land zum ersten Mal benutzt wurde. Entscheidend ist, wo das Fahrzeug langfristig genutzt werden soll, was sich nach dem Wohnsitz des Nutzers richtet.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Der EuGH entschied, dass der Ort der Einfuhr eines in einem Drittland wie Georgien zugelassenen und unter Verstoß gegen die EU-Zollvorschriften in die EU verbrachten Fahrzeugs für Mehrwertsteuerzwecke das EU-Land ist, in dem die steuerpflichtige Person wohnt und das Fahrzeug nutzt.
In diesem Fall wird die Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland geschuldet, da der Eigentümer des Fahrzeugs in Deutschland ansässig ist und das Fahrzeug offensichtlich für die Verwendung in Deutschland bestimmt war.
Auf die zweite Frage hat der EuGH nicht geantwortet, da er es nicht für notwendig erachtet, darauf einzugehen.
Schlussfolgerung
Die Bestimmung des Ortes der Einfuhr ist für alle Steuerpflichtigen von entscheidender Bedeutung, die entweder ihre Geschäftstätigkeit auf Einfuhren stützen oder Fahrzeuge für ihren geschäftlichen Bedarf einführen müssen. Darüber hinaus bekräftigt das EuGH-Urteil, dass Zölle und Mehrwertsteuer zwar ähnlich sind, die Mehrwertsteuer aber letztlich in der EU geschuldet wird, wo die Waren, in diesem Fall das Fahrzeug, zur tatsächlichen, dauerhaften oder endgültigen Verwendung bestimmt sind.
Der Fall zeigt die Problematik bei grenzüberschreitenden Umsätzen auf, insbesondere wenn es sich um Waren oder Fahrzeuge aus Drittländern handelt, die in den EU-Markt eingeführt werden. Darüber hinaus unterstreicht das Urteil die entscheidende Rolle des Wohnsitzes des Fahrzeugeigentümers bei der Bestimmung der Mehrwertsteuerpflichten und der Gewährleistung, dass die Einfuhrumsatzsteuer in dem EU-Land erhoben wird, in dem das Fahrzeug genutzt wird.
Quelle: Rechtssache C-368/21 - R.T. gegen Hauptzollamt Hamburg, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, Zollkodex der Union

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