EuGH Rechtssache C-552/17: Mehrwertsteuerliche Behandlung von Ferienvermietungen und Nebenleistungen

In der Rechtssache C-552/17 geht es um einen Rechtsstreit zwischen der Alpenchalets Resorts GmbH (Alpenchalets), einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, und dem Bundesfinanzhof in Deutschland, bei dem es um die Frage geht, ob die einmalige Erbringung von Ferienunterkünften in Verbindung mit anderen Nebenleistungen in den Anwendungsbereich der Sonderregelung für Reisebüros oder der normalen Mehrwertsteuerregelung fällt.
Außerdem geht es um die Frage, welcher Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, der Normalsatz oder der ermäßigte Steuersatz, wenn diese Leistungen unter die Sonderregelung für Reisebüros fallen.
Hintergrund der Rechtssache
Der Fall geht auf das Jahr 2011 zurück, als Alpenchalets Immobilien in Deutschland, Österreich und Italien von ihren Eigentümern anmietete und sie an Kunden für kurzfristige Ferienvermietungen weitervermietete. Neben der Kurzzeitvermietung bot Alpenchalets seinen Kunden auch zusätzliche Dienstleistungen wie Wäsche-, Brötchen- und Reinigungsservice an.
Alpenchalets berechnete die Mehrwertsteuer zunächst auf der Grundlage seiner Gewinnspanne, wendete auf die erbrachten Dienstleistungen den normalen Mehrwertsteuersatz an und reichte entsprechende Mehrwertsteuererklärungen ein. Im Jahr 2013 beantragte Alpenchalets jedoch die Berichtigung seiner Umsatzsteuererklärung durch Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Das Finanzamt München lehnte diesen Antrag ab.
Die Alpenchalets waren mit dieser Entscheidung unzufrieden und legten Einspruch beim Finanzgericht ein. Das Finanzgericht wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nicht möglich sei, weil die Erbringung einer Reiseleistung nicht unter die sogenannte Margenbesteuerung falle.
Alpenchalets war nicht bereit, die Entscheidung des Finanzgerichts zu akzeptieren und legte gegen dieses Urteil beim Bundesfinanzhof (BFH) Einspruch ein. Nach Prüfung aller einschlägigen Unterlagen und Beweise und unter Zugrundelegung der in früheren EuGH-Urteilen und in der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Regeln war sich der BFH nicht sicher, ob eine Sonderregelung für Reisebüros auf die Dienstleistungen eines Reisebüros anwendbar ist, das lediglich Unterkünfte anbietet. Außerdem musste der FFC klären, welcher Mehrwertsteuersatz in diesem Fall anwendbar sein sollte.
Daher beschloss der FFC, das Verfahren auszusetzen und den EuGH mit einem Ersuchen um Vorabentscheidung anzurufen.
Hauptfragen aus dem Ersuchen um Vorabentscheidung
Der FFC legte dem EuGH zwei Hauptfragen vor. Die erste Frage lautete, ob die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Ferienunterbringung, bei denen andere Dienstleistungen nur eine untergeordnete Rolle spielen, unter die Sonderregelung für Reisebüros fällt. Die Beherbergungsleistungen sind die Haupttätigkeit, während die zusätzlichen Dienstleistungen, wie z. B. die Reinigung, sekundär sind und das Hauptangebot an Unterkünften unterstützen.
Stellt der EuGH fest, dass die erste Frage zu bejahen ist, unterliegt die Leistung einer Sonderregelung für Reisebüros. Die zweite Frage lautet, ob für diese Dienstleistungen ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz in Anspruch genommen werden kann.
Anwendbarer Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Die wichtigsten Artikel im Zusammenhang mit diesem Fall sind Artikel 98 und die Artikel 306 bis 310 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. In Artikel 98 ist festgelegt, dass die EU-Länder einen oder zwei ermäßigte Mehrwertsteuersätze anwenden können, die nur auf die in Anhang III der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie aufgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anwendbar sind.
Die Artikel 306 bis 310 sind Teil von Kapitel 3 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, das der Sonderregelung für Reisebüros gewidmet ist. Die Sonderregelung gilt für Reisebüros, die in ihrem Namen Reisedienstleistungen verkaufen und dabei Gegenstände und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger, z. B. von Hotels, in Anspruch nehmen. Im Rahmen dieser Regelung werden alle Tätigkeiten von Reisebüros als eine einzige Dienstleistung behandelt, was bedeutet, dass alle Aspekte des Umsatzes gebündelt und als eine einzige Leistung besteuert werden.
Der auf diese Umsätze anwendbare Mehrwertsteuersatz ist derselbe wie der des EU-Mitgliedstaats, in dem das Reisebüro seinen Sitz hat. Die Marge des Reisebüros, d. h. die Differenz zwischen dem, was der Kunde bezahlt, und den Kosten, die dem Reisebüro für die Leistungen Dritter entstehen, bestimmt die Steuerbemessungsgrundlage.
Reisebüros, die als Vermittler auftreten, sind jedoch von dieser Regelung ausgenommen. Auch wenn die Drittgeschäfte außerhalb der EU stattfinden, werden die vom Vermittler erbrachten Dienstleistungen als Vermittlungstätigkeit behandelt.
Deutschland Nationale MwSt-Vorschriften
Paragraph 12 des Umsatzsteuergesetzes aus dem Jahr 2005, das 2009 geändert wurde, besagt, dass der Steuersatz von 19 % auf die Bemessungsgrundlage aller steuerpflichtigen Umsätze anzuwenden ist. Darüber hinaus heißt es, dass der ermäßigte Steuersatz von 7 % unter anderem für kurzfristige Vermietungen von Unterkünften und Campingplätzen gilt.
Dies gilt jedoch nur für die Haupttätigkeit der Bereitstellung von Unterkünften. Alle Nebenleistungen, die nicht direkt mit der Bereitstellung von Unterkünften zusammenhängen, sind von dieser Klassifizierung ausgeschlossen, selbst wenn sie im Mietpreis enthalten sind.
In Artikel 25 desselben Gesetzes werden die Steuervorschriften für Reisedienstleistungen näher definiert. In diesem Artikel werden das Konzept der Einzelleistung, die Steuerbefreiung für Dienstleistungen aus Drittländern, die Steuerbemessungsgrundlage im Rahmen der Differenzbesteuerung und die Beschränkungen des Vorsteuerabzugs in derselben Weise wie in der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie beschrieben.
Bedeutung des Falles für Steuerpflichtige
Die Rechtssache Alpenchalets gegen FFC ist eine wichtige Orientierungshilfe für die Anwendung der Mehrwertsteuer-Sonderregelung für Reisebüros. Sie klärt die Bündelung von Dienstleistungen und den auf diese Dienstleistungen anzuwendenden Mehrwertsteuersatz. Für Steuerpflichtige, insbesondere für solche, die Unterkunftsleistungen mit zusätzlichen Dienstleistungen kombinieren, schafft der Fall einen Rahmen für die Einhaltung der MwSt-Vorschriften, der der Einfachheit und der Angleichung der MwSt-Vorschriften auf EU-Ebene Vorrang einräumt.
Analyse der Feststellungen des Gerichtshofs
In seinem Urteil hat der EuGH beide Fragen getrennt voneinander sorgfältig geprüft. In Bezug auf die erste Frage betonte der EuGH, dass die Sonderregelung nur dann gilt, wenn das Reisebüro zur Organisation der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen verwendet, die es von anderen Steuerpflichtigen erworben hat, wie zuvor in der Rechtssache C-557/11 des EuGH festgestellt.
Der EuGH stellte jedoch fest, dass in diesem Fall nicht bekannt ist, ob die Eigentümer oder Betreiber von Immobilien, die ihre Immobilien an Alpenchalets vermietet haben, Steuerpflichtige sind, die der Mehrwertsteuer unterliegen. Daher ging der EuGH bei der Beantwortung der ersten Frage davon aus, dass die Eigentümer und Betreiber mehrwertsteuerpflichtig sind.
Auf dieser Grundlage und nach früherer Rechtsprechung, vor allem in der Rechtssache Van Ginkel (C-163/91), kann auch die bloße Bereitstellung von Unterkünften durch ein Reisebüro unter die Regelung fallen. Damit wird sichergestellt, dass die Pauschalreisen einheitlich besteuert werden, unabhängig davon, ob sie nur eine Unterkunft oder eine Kombination aus Unterkunft und Nebenleistungen enthalten. Ein Ausschluss der reinen Beherbergungsleistungen von der Sonderregelung würde zu einer zersplitterten und uneinheitlichen Steuerregelung führen, was dem Ziel der Mehrwertsteuerrichtlinie zuwiderliefe, die Besteuerung von Reiseleistungen zu vereinfachen.
In Bezug auf die zweite Frage bestätigt der EuGH, dass Dienstleistungen, die ein Reisebüro im Rahmen der Sonderregelung erbringt, einschließlich der Urlaubsunterbringung, als eine einzige Dienstleistung des Reisebüros behandelt werden. Der EuGH stellte jedoch fest, dass Artikel 98 Absatz 2 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie zwar ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Gegenstände oder Dienstleistungen zulässt, die ausdrücklich in Anhang III der Richtlinie aufgeführt sind, die von Reisebüros erbrachte Einzelleistung jedoch nicht in dieser Liste enthalten ist.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Der EuGH entschied, dass die gesamte Dienstleistung eines Reisebüros, das eine Urlaubsunterkunft als solche oder zusammen mit weiteren Dienstleistungen anbietet, als ein einziger steuerpflichtiger Umsatz im Rahmen der besonderen Mehrwertsteuerregelung für Reisebüros behandelt wird. Außerdem fallen Reisebürodienstleistungen unter die Mehrwertsteuer-Sonderregelung und können nicht in den Genuss eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes kommen.
Schlussfolgerung
Der vorliegende Fall zeigt, wie wichtig eine einheitliche Anwendung der MwSt-Vorschriften in der EU ist, insbesondere für den Reise- und Tourismussektor, in dem Beherbergungsleistungen am wichtigsten sind. Das EuGH-Urteil bestätigt einmal mehr, dass Reisebüros, die Ferienunterkünfte anbieten, unabhängig davon, ob es sich um eine eigenständige Leistung oder um Nebenleistungen handelt, die besondere Mehrwertsteuerregelung für Reisebüros anwenden müssen.
Außerdem wird in der Entscheidung bekräftigt, dass für Nebenleistungen kein ermäßigter Mehrwertsteuersatz im Rahmen der Sonderregelung gelten kann. Mit der Entscheidung wird der Grundsatz bekräftigt, dass Dienstleistungen im Rahmen der Regelung als eine einzige Leistung behandelt werden, wodurch eine einheitliche Anwendung der EU-Mehrwertsteuervorschriften gewährleistet wird. Schließlich schränkt diese Entscheidung die Flexibilität für Unternehmen ein, die ermäßigte Steuersätze in Anspruch nehmen wollen.
Quelle: Rechtssache C-552/17 - Alpenchalets Resorts GmbH gegen Finanzamt München Abteilung Körperschaften, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie

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