Klärung der Vorschriften über den Ort der Besteuerung von Roaming-Diensten außerhalb der EU: Der Fall SK Telecom

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Der Streit zwischen SK Telecom und dem Finanzamt der Stadt Graz bringt die geltenden Vorschriften für Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Roamingdienste, näher. In dem Fall geht es um die Anwendung der MwSt-Vorschriften auf Roaming-Dienste, die ein in einem Nicht-EU-Land, nämlich Südkorea, ansässiger Mobilfunkbetreiber für seine Kunden erbringt, die ebenfalls aus Südkorea stammen, sich aber vorübergehend in Österreich, einem EU-Land, aufhalten.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Erbringung solcher Dienstleistungen durch ein Nicht-EU-Land als tatsächliche Nutzung und Inanspruchnahme in einem EU-Land angesehen werden sollte und ob diese Auslegung Österreich erlauben würde, die Erbringung dieser Roaming-Dienstleistungen für MwSt-Zwecke als in seinem eigenen Hoheitsgebiet erfolgt zu behandeln.
Hintergrund des Falles
SK Telecom ist ein südkoreanisches Unternehmen, das seinen südkoreanischen Kunden Mobiltelefondienste über Roamingdienste anbietet, die es ihnen ermöglichen, das österreichische Mobilfunknetz zu nutzen, während sie sich vorübergehend in Österreich aufhalten. Zur Erbringung dieser Dienstleistung gewährt ein österreichischer Mobilfunknetzbetreiber SK Telecom Zugang zu seinem Netz und erhebt dafür ein Nutzungsentgelt, das die österreichische Mehrwertsteuer in Höhe von 20 % enthält.
SK Telecom stellte ihren Kunden die in Österreich in Anspruch genommenen Roamingdienste entsprechend in Rechnung. Daraufhin beantragte SK Telecom beim österreichischen Finanzamt die Rückerstattung der an den österreichischen Betreiber gezahlten Mehrwertsteuer im Rahmen des vereinfachten Erstattungsverfahrens gemäß der Erstattungsverordnung.
Das Finanzamt lehnte jedoch den Antrag von SK Telecom auf Erstattung der Mehrwertsteuer ab, weil die Roaming-Dienste, die SK Telecom ihren Kunden in Rechnung stellte, in Österreich gemäß der Verbringungsverordnung, die Artikel 59a der Mehrwertsteuerrichtlinie umsetzt, steuerpflichtig waren. Der Hauptgrund für diese Entscheidung war die Schlussfolgerung des Finanzamts, dass diese Telekommunikationsdienstleistungen in Südkorea keiner vergleichbaren Steuer unterlagen und in Österreich als steuerpflichtig galten.
Nachdem das Finanzamt den Einspruch zurückgewiesen hatte, brachte SK Telecom den Fall vor den Bundesfinanzhof, der zugunsten von SK Telecom entschied und die Mehrwertsteuererstattung gewährte.
Das Finanzamt legte jedoch gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts Berufung beim Obersten Verwaltungsgerichtshof Österreichs ein, der die Entscheidung aufhob und den Fall an das Bundesfinanzgericht zurückverwies.
Da das Bundesfinanzgericht immer noch Zweifel daran hatte, ob die österreichische Regelung mit den EU-Vorschriften übereinstimmt, d. h. ob Roaming-Dienste, die vorübergehend von Nichtsteuerpflichtigen in Österreich genutzt werden, gemäß Artikel 59a als tatsächlich in Österreich genutzt und in Anspruch genommen angesehen werden können, so dass Österreich sie als im Inland steuerpflichtig behandeln kann, beschloss es, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zwei Fragen vorzulegen.
Die wichtigsten Fragen aus dem Ersuchen um Vorabentscheidung
In Anbetracht seiner Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des österreichischen Rechts mit den EU-Mehrwertsteuervorschriften wollte der Bundesfinanzhof wissen, ob Artikel 59a Absatz 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuerrichtlinie so auszulegen ist, dass ein nicht steuerpflichtiger Endkunde, der sich vorübergehend in einem EU-Land aufhält und dort Roamingdienste in Anspruch nimmt, als Nutzer und Nutzer dieser Dienste in diesem EU-Land gilt.
Entscheidend für diese Frage ist, dass weder der Mobilfunkbetreiber, der die Dienstleistung erbringt, noch der Kunde eine Niederlassung, eine ständige Anschrift oder einen gewöhnlichen Wohnsitz in der EU hat.
Die zweite Frage, die der Bundesfinanzhof dem EuGH vorgelegt hat, zielt auf die Klärung der Frage ab, ob nach demselben Artikel der Ort solcher Dienstleistungen allein deshalb in ein EU-Land verlagert werden kann, weil das Drittland, in dem der Dienstleistungserbringer ansässig ist, keine mit der EU-Mehrwertsteuer vergleichbare Steuer erhebt, obwohl weder der Dienstleistungserbringer noch der Kunde in der EU ansässig sind.
Anwendbarer Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Nach Erwägungsgrund 22 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen alle Telekommunikationsdienstleistungen, die innerhalb der EU verbraucht werden, der Mehrwertsteuer. Darüber hinaus wird in dem Erwägungsgrund erläutert, dass Dienstleistungen, die an andere Steuerpflichtige oder Kunden in Nicht-EU-Ländern erbracht werden, im Allgemeinen dort besteuert werden sollten, wo der Kunde ansässig ist.
Wenn jedoch Nicht-EU-Unternehmen solche Dienstleistungen an Nicht-Steuerpflichtige in der EU erbringen, die diese in der EU nutzen und in Anspruch nehmen, sollten die EU-Länder den Ort der Dienstleistung als in der EU gelegen behandeln.
Artikel 1 Absatz 2 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, in dem das Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems der EU erläutert wird, wurde ebenfalls als wesentlich für diesen Fall bezeichnet, da er festlegt, dass die Mehrwertsteuer eine allgemeine Verbrauchssteuer ist, die proportional zum Preis von Gegenständen und Dienstleistungen erhoben wird, unabhängig davon, wie oft diese Gegenstände oder Dienstleistungen den Besitzer wechseln, bevor sie den Endverbraucher erreichen. Darüber hinaus wurde auch Artikel 24 berücksichtigt, der definiert, was unter Telekommunikationsdienstleistungen zu verstehen ist.
Schließlich standen die Artikel 59, 59a und 59b im Mittelpunkt dieses Falles, da sie festlegen, wie und wo Telekommunikationsdienstleistungen besteuert werden sollten, insbesondere wenn sie an Nichtsteuerpflichtige erbracht werden. Artikel 59 stellt sicher, dass die Dienstleistungen dort besteuert werden, wo der Kunde ansässig ist, während die Artikel 59a und 59b Vorschriften für den Fall enthalten, dass die Dienstleistungen von außerhalb der EU erbracht werden.
Österreichs nationale MwSt-Vorschriften
In den Bestimmungen des österreichischen Umsatzsteuergesetzes sind die Regeln für die Bestimmung des Ortes so genannter sonstiger Dienstleistungen, die nicht mit der Lieferung von Gegenständen verbunden sind, festgelegt. In diesen Bestimmungen wird bei der Bestimmung des Ortes, an dem diese Dienstleistungen als erbracht gelten, zwischen Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen unterschieden. Um Probleme wie Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, kann der Bundesminister für Finanzen außerdem regeln, wo Dienstleistungen als genutzt oder in Anspruch genommen gelten.
Neben den einschlägigen Artikeln des österreichischen Umsatzsteuergesetzes hob der EuGH die wichtigsten Bestimmungen der Verbringungsverordnung hervor, die die Verlegung des Ortes der Erbringung von sonstigen Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen regelt, sowie die Erstattungsverordnung, die ein gesondertes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuer für ausländische Steuerpflichtige einführt.
Bedeutung der Rechtssache für Steuerpflichtige
Für Steuerpflichtige aus Nicht-EU-Ländern, die digitale oder Telekommunikationsdienstleistungen in der EU anbieten und erbringen, kann dieser Fall besonders wichtig sein, da er klärt, wie und wann die Mehrwertsteuer auf Roaming-Dienste anzuwenden ist, die von Nicht-EU-Kunden vorübergehend in der EU genutzt werden.
Darüber hinaus wird geklärt, was unter der tatsächlichen Nutzung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU-Landes zu verstehen ist, was sich unmittelbar auf die Mehrwertsteuerpflicht, die Erstattungsansprüche und die Einhaltung der Vorschriften für Nicht-EU-Unternehmen auswirkt. Darüber hinaus bestimmt der Fall den Umfang der Befugnisse der EU-Länder, Dienstleistungen auf der Grundlage des Ortes der tatsächlichen Nutzung zu besteuern, selbst wenn sowohl der Anbieter als auch der Kunde ihren Sitz außerhalb der EU haben.
Analyse der Gerichtsentscheidungen
Obwohl der Bundesfinanzhof dem EuGH zwei Fragen vorlegte, prüfte der EuGH sie zusammen und fügte hinzu, dass nach dem wichtigsten Grundsatz der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie Dienstleistungen so weit wie möglich an dem Ort besteuert werden sollten, an dem sie verbraucht werden.
Der EuGH betonte, dass Roamingdienste, die von südkoreanischen Kunden vorübergehend in Österreich genutzt werden, als Telekommunikationsdienstleistungen gelten. Werden sie an Nicht-EU-Nichtsteuerpflichtige erbracht, werden sie im Allgemeinen dort besteuert, wo der Kunde ansässig ist, also in Südkorea.
Nach Artikel 59 Buchstabe b können die EU-Länder jedoch von diesen allgemeinen Regeln abweichen und den Ort der Dienstleistung als in ihrem eigenen Hoheitsgebiet gelegen behandeln, wenn die Dienstleistungen tatsächlich innerhalb ihrer Grenzen genutzt und in Anspruch genommen werden, z. B. wenn Nicht-EU-Anbieter Dienstleistungen an in der EU ansässige Nichtsteuerpflichtige erbringen.
Insbesondere enthält die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie keine Bestimmung darüber, wie lange sich der Nutzer in der EU aufhalten muss, damit die Dienstleistung dort tatsächlich genutzt und in Anspruch genommen wird. Folglich kann selbst ein vorübergehender Aufenthalt, wie z. B. die Nutzung von Roamingdiensten durch Touristen, die Mehrwertsteuerpflicht auslösen, wenn die Dienstleistung in einem EU-Land genutzt und in Anspruch genommen wird.
Darüber hinaus stellte der EuGH klar, dass Roamingdienste es Mobilfunknutzern ermöglichen, außerhalb des Versorgungsgebiets ihres üblichen Anbieters auf Mobilfunkdienste zuzugreifen, indem sie ein anderes Netz nutzen, was in der Regel durch Vereinbarungen zwischen Betreibern geschieht. Der EuGH betonte, dass nach ständiger Rechtsprechung jeder Umsatz im Rahmen der Mehrwertsteuerrichtlinie grundsätzlich als eigenständig und unabhängig zu behandeln ist.
Wie der Generalanwalt feststellte, werden Roamingdienste daher als von anderen Mobilfunkdiensten getrennt betrachtet. Unter diesem Gesichtspunkt werden Roamingdienste, die für vorübergehende Besucher in einem EU-Land wie Österreich erbracht werden, als eigenständig und unabhängig von den regulären Dienstleistungen betrachtet, die der Kunde außerhalb der EU erhält.
Die Tatsache, dass SK Telecom diese Dienste gesondert in Rechnung stellt, insbesondere durch Roaming-Gebühren, die den Kunden in Rechnung gestellt werden, beweist, dass es sich bei diesen Diensten um unabhängige Transaktionen handelt. Außerdem ist es angesichts der Art der Roaming-Dienste offensichtlich, dass die tatsächliche Nutzung und der Genuss innerhalb des Hoheitsgebiets eines EU-Landes erfolgen, wenn die Kunden von SK Telecom in die EU reisen.
Doch selbst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können die EU-Länder die Option nach Artikel 59b der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie anwenden, den Ort der Dienstleistung nur dann als in ihrem Hoheitsgebiet gelegen zu behandeln, wenn sie sicherstellen, dass dadurch eine Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung vermieden wird. Außerdem ist bei der Anwendung der betreffenden Bestimmung das Steuersystem des Nicht-EU-Landes für die Beurteilung nicht relevant, es sei denn, ein internationales Abkommen mit diesem Land sieht etwas anderes vor.
Auch die Leitlinien des MwSt-Ausschusses unterstützen die Auffassung, dass die Berücksichtigung des Steuerrechts eines Nicht-EU-Landes nicht erforderlich ist. Obwohl diese Leitlinien nicht rechtsverbindlich sind, dienen sie als hilfreiche Quelle für die Auslegung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie.
Endgültige Entscheidung des Gerichts
Letztendlich entschied der EuGH, dass Artikel 59a dahingehend auszulegen ist, dass Roamingdienste, die ein in einem Dritt- oder Nicht-EU-Land ansässiger Mobilfunkbetreiber für seine Kunden erbringt, die in diesem Drittland niedergelassen sind, dort eine ständige Anschrift haben oder sich gewöhnlich dort aufhalten, wie z. B. Südkorea, als tatsächlich im Hoheitsgebiet eines EU-Landes genutzt und in Anspruch genommen gelten müssen.
Daher können EU-Länder wie Österreich den Ort der Erbringung dieser Roamingdienste als in ihrem Hoheitsgebiet gelegen ansehen, sofern diese Entscheidung die Nichtbesteuerung dieser Dienste in der EU verhindert, ohne die steuerliche Behandlung dieser Dienste nach dem nationalen Steuerrecht des Nicht-EU-Landes, in diesem Fall Südkorea, zu berücksichtigen.
Schlussfolgerung
In Anbetracht der Zahl der Touristen aus Nicht-EU-Ländern, die EU-Länder besuchen, bringt der Fall zwischen SK Telecom und dem Finanzamt Graz erhebliche Komplexität in Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung von Roaming-Diensten ans Licht und bietet eine Orientierungshilfe für Unternehmen, die auf dem globalen Telekommunikationsmarkt tätig sind.
Darüber hinaus hat der EuGH mit dieser Entscheidung den Grundsatz bekräftigt, dass Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Roaming-Dienste, dort besteuert werden sollten, wo sie tatsächlich genutzt und in Anspruch genommen werden, was in diesem Fall innerhalb der EU, genauer gesagt in Österreich, war.
Quelle: Rechtssache C-593/19 - SK Telecom Co. Ltd. gegen Finanzamt der Stadt Graz, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie

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