EuGH-Urteil zur Regelung der Umsatzsteuermarge für von juristischen Personen gelieferte Kunstwerke

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Im Mittelpunkt des Streits in der Rechtssache Galerie Karsten Greve (GKG) vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) steht die Frage, ob ein steuerpflichtiger Händler die Differenzbesteuerung anwenden kann, wenn er Kunstwerke von einem Unternehmen erwirbt, das vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern gegründet wurde. Die Analyse und das Urteil des EuGH klären das Gleichgewicht zwischen einer strengen Rechtsauslegung und den übergeordneten Zielen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie und stellen sicher, dass die Absicht des Gesetzgebers gewahrt bleibt, ohne unnötigen Verwaltungsaufwand zu verursachen.
Hintergrund des Falles
GKG ist ein Betreiber einer Kunstgalerie, der 2014 Kunstwerke verkaufte, die er von Studio Rubin Gideon (SRG), einem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen, erworben hatte. Im Anschluss an eine Prüfung der französischen Steuerbehörde wurde die Anwendung der MwSt.-Margenregelung für diese Verkäufe in Frage gestellt, und die Steuerbehörde erließ zusätzliche MwSt.-Bescheide an GKG für das gesamte Jahr 2014.
Sowohl das Verwaltungsgericht Paris als auch später das Berufungsgericht wiesen die Berufungen der GKG gegen diese Umsatzsteuerbescheide zurück. Das französische Steuergesetz sieht vor, dass die Differenzbesteuerung nur angewandt werden kann, wenn die Lieferung von Kunstwerken entweder vom Künstler selbst oder von seinen Rechtsnachfolgern stammt, was auch für den innergemeinschaftlichen Erwerb gilt.
In diesem Fall nutzte die GKG die Differenzbesteuerung, um Gemälde von Gideon Rubin zu verkaufen, die sie durch innergemeinschaftliche Erwerbe von der SRG, einer Gesellschaft im Besitz von Herrn Ruben und seinem Geschäftspartner, erworben hatte.
Der Verwaltungsgerichtshof in Paris entschied, dass GKG nicht berechtigt war, die MwSt.-Margenregelung auf die fraglichen Gemälde anzuwenden, da nur der einzelne Künstler, der das Werk physisch geschaffen hat, als Urheber angesehen werden kann. Daher könne die SRG als juristische Person nicht in Frage kommen. Die GKG argumentierte, das Berufungsgericht habe einen Rechtsfehler begangen. Der Staatsrat wies darauf hin, dass die Lösung dieser Frage von der Auslegung der EU-weiten Mehrwertsteuervorschriften abhängt.
Genauer gesagt hängt die Entscheidung darüber, ob die Regelung über die Differenzbesteuerung auf die fraglichen Umsätze anwendbar ist, davon ab, ob Artikel 316 Absatz 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Artikel 311 Absatz 1 Nummer 2 und Anhang IX die Möglichkeit ausschließt, dass eine juristische Person wie die SRG als Schöpfer eines Gemäldes angesehen wird. Daher beschloss der Staatsrat, das Verfahren zu unterbrechen und dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Hauptfragen aus dem Ersuchen um Vorabentscheidung
Mit seiner ersten Frage wollte der Staatsrat wissen, ob die einschlägigen Bestimmungen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie es ausschließen, dass eine juristische Person, wie z. B. ein Unternehmen, für die Zwecke der Differenzbesteuerung als Schöpfer eines Gemäldes angesehen wird.
Falls die Antwort auf die erste Frage "Nein" lautet, d. h. Unternehmen als Urheber eines Gemäldes für die Zwecke der Differenzbesteuerung angesehen werden können, wurde in der zweiten Frage gefragt, welche Kriterien herangezogen werden sollten, um zu bestimmen, ob eine juristische Person als Urheber angesehen werden kann. Sollten insbesondere Kriterien wie die Frage berücksichtigt werden, ob das Unternehmen einem besonderen Rechtsrahmen unterliegt, ob die Person, die das Werk gemalt hat, Anteile an dem Unternehmen besitzt oder ob diese Person eine leitende Funktion in dem Unternehmen innehat?
Anwendbarer Artikel der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wurden sowohl die Erwägungsgründe der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, d. h. die Artikel 4, 7 und 51, als auch die Artikel 14 Absatz 1, 103, 311 Absatz 1, 314 und 316 sowie Anhang IX Teil A mit dem Titel "Kunstwerk" herangezogen und ausgelegt. Die genannten Erwägungsgründe betonen das Ziel der Schaffung eines Binnenmarktes durch eine Umsatzsteuergesetzgebung, die Wettbewerbsverzerrungen oder Beschränkungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs vermeidet.
Darüber hinaus legt die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ein spezielles Besteuerungssystem für Gebrauchtgegenstände, Kunstwerke, Antiquitäten und Sammlerstücke fest, das darauf abzielt, Doppelbesteuerung zu vermeiden und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen zu beseitigen.
Artikel 103 erlaubt es den EU-Ländern, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Einfuhr von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten anzuwenden. Darüber hinaus wird in Artikel 311 Absatz 1 ein steuerpflichtiger Händler als jede steuerpflichtige Person beschrieben, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit und mit der Absicht des Weiterverkaufs gebrauchte Waren, Kunstwerke, Sammlungsstücke oder Antiquitäten erwirbt, verwendet oder einführt, unabhängig davon, ob sie für sich selbst oder für eine andere Person im Rahmen eines Kommissionsvertrags handelt.
Darüber hinaus legen die Artikel 314 und 314 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie die Regeln für die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung fest und räumen steuerpflichtigen Händlern die Möglichkeit ein, die Differenzbesteuerung auf bestimmte Umsätze anzuwenden. Schließlich definiert Anhang IX, Teil A der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie den Begriff "Kunstwerke" für Mehrwertsteuerzwecke.
Frankreichs nationale MwSt-Vorschriften
Gemäß Artikel 278-0bis des französischen Steuergesetzes gilt ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 5,5 % für Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbe solcher Gegenstände durch Steuerpflichtige oder bestimmte Nichtsteuerpflichtige innerhalb der EU, und ein Mehrwertsteuersatz von 10 % für Lieferungen von Kunstwerken, die von ihrem Schöpfer oder seinen Rechtsnachfolgern geschaffen wurden.
Darüber hinaus wurde Artikel 297 berücksichtigt, der die Steuerbemessungsgrundlage für Lieferungen von Kunstgegenständen durch steuerpflichtige Wiederverkäufer festlegt und es den steuerpflichtigen Wiederverkäufern ermöglicht, für die Anwendung der Bestimmungen der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten nach der Einfuhr, dem innergemeinschaftlichen Erwerb oder Lieferungen, die den ermäßigten MwSt-Sätzen unterliegen, zu optieren.
Anhang III, Artikel 98 A, in dem Kunstwerke als Bilder, Collagen, Gemälde und Zeichnungen beschrieben werden, die vom Künstler vollständig von Hand ausgeführt wurden, mit Ausnahme von technischen oder kommerziellen Entwürfen, handverzierten Fertigwaren, Theaterkulissen und ähnlichen bemalten Leinwandhintergründen, wurde ebenfalls als entscheidend für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bezeichnet.
Bedeutung der Rechtssache für Steuerpflichtige
Für Steuerpflichtige, insbesondere für steuerpflichtige Händler, die auf dem Kunstmarkt tätig sind, kann dieser Fall von Bedeutung sein, da er grundlegende Grundsätze der Mehrwertsteuer berührt, wie z. B. Steuerneutralität, Gleichbehandlung der Wirtschaftsbeteiligten und Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Darüber hinaus bietet die Rechtssache eine maßgebliche Auslegung der Frage, wie die Regelung über die Differenzbesteuerung auf Kunstwerke anzuwenden ist, die über juristische Personen geliefert werden.
Analyse der Feststellungen des Gerichtshofs
Der EuGH stellte fest, dass der eigentliche Urheber der fraglichen Gemälde der Künstler Gideon Rubin ist, der seine Werke über die SRG verkaufte, eine Gesellschaft, in der er einer der beiden Gesellschafter ist. Der EuGH fügte hinzu, dass Artikel 314 Buchstabe a die Anwendung der Differenzbesteuerung erlaubt, wenn ein steuerpflichtiger Händler Kunstwerke liefert, die ihm innerhalb der EU von einem Nichtsteuerpflichtigen zur Verfügung gestellt wurden.
Eine der ersten Feststellungen des EuGH war, dass Artikel 316 Absatz 1 die Bestimmungen von Artikel 314 auf steuerpflichtige Wiederverkäufer ausdehnt, die Kunstwerke vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern erhalten, die für Mehrwertsteuerzwecke als Steuerpflichtige gelten.
Daher betonte der EuGH, dass die Kernfrage nicht darin besteht, ob eine juristische Person wie die SRG selbst als Urheber angesehen werden kann, sondern vielmehr darin, ob Lieferungen von Kunstwerken durch den Urheber oder seine Rechtsnachfolger, wenn sie durch eine für Mehrwertsteuerzwecke registrierte juristische Person erfolgen, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.
Sowohl der EuGH als auch der Generalanwalt stellten fest, dass die Lieferung von Kunstwerken Teil der gewerblichen Tätigkeit des Urhebers oder seiner Rechtsnachfolger ist, die im Wesentlichen in der Übertragung von Eigentumsrechten, in der Regel gegen Entgelt, besteht. Vom Wortlaut her schließt Artikel 316 Absatz 1 nicht ausdrücklich aus, dass der Urheber oder seine Rechtsnachfolger derartige Leistungen durch eine juristische Person erbringen können, und er schließt auch nicht aus, dass solche Leistungen durch eine juristische Person erbracht werden.
Um die Anwendung der Regelung über die Differenzbesteuerung zu bestimmen, muss die Definition der Regelung im Lichte ihrer Ziele und des Grundprinzips der Steuerneutralität verstanden werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie darauf abzielt, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen innerhalb der EU nicht zu behindern.
Darüber hinaus gilt nach der geltenden Rechtsprechung die Steuerneutralität als ein Kernprinzip des Mehrwertsteuersystems, das sicherstellt, dass Wirtschaftsbeteiligte, die dieselben Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer gleich behandelt werden. Der EuGH fügte hinzu, dass sowohl die Bestimmungen über die Differenzbesteuerung als auch Erwägungsgrund 51 darauf abzielen, eine Doppelbesteuerung zu verhindern und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Steuerpflichtigen auf dem Markt für Kunstwerke zu vermeiden.
Durch die steuerliche Begünstigung der Einfuhr, der ersten Lieferung nach der Schaffung und der ersten Lieferung durch steuerpflichtige Wiederverkäufer wollten die EU-Gesetzgebung und der Gesetzgeber in erster Linie die Einführung neuer Kunstwerke auf dem EU-Markt fördern, unabhängig davon, ob sie eingeführt oder neu geschaffen wurden.
Die Beschränkung des Rechts der steuerpflichtigen Wiederverkäufer, die Differenzbesteuerung nur auf Werke anzuwenden, die vom Urheber oder seinem Rechtsnachfolger geliefert werden, verringert den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten, vereinfacht den Nachweis, ob der Kaufpreis eines Kunstwerks die Vorsteuer enthält, und erleichtert den Steuerbehörden die Überprüfung.
In Anbetracht der Tatsache, dass es oft schwierig ist, festzustellen, ob solche Gegenstände zuvor der Mehrwertsteuer unterlagen, zumal Kunstwerke und Antiquitäten alt sein oder den Besitzer unter Nichtsteuerpflichtigen gewechselt haben können, ermöglicht die Differenzbesteuerung die Berechnung der Mehrwertsteuer auf der Grundlage der vom Verkaufspreis der Gegenstände abgeleiteten Gewinnspanne.
Eine Auslegung von Artikel 316 Absatz 1 Buchstabe b, die darauf abzielt, Lieferungen von Kunstwerken durch Kunstschaffende oder deren Rechtsnachfolger, die über juristische Personen handeln, kategorisch auszuschließen, würde daher die Gefahr bergen, dass zentrale Ziele der Bestimmungen der EU-Mehrwertsteuerrichtlinien unterlaufen werden.
Ergänzend zu dieser Aussage des EuGH fügte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen hinzu, dass aus mehrwertsteuerlicher Sicht Kunstschaffende oder ihre Rechtsnachfolger, die Kunstwerke an steuerpflichtige Händler liefern, im Wesentlichen dieselben Umsätze tätigen, unabhängig davon, ob sie als natürliche Personen oder durch juristische Personen handeln. Eine unterschiedliche Behandlung von Kunstschaffenden oder ihren Nachfolgern je nachdem, ob sie als natürliche oder juristische Personen handeln, könnte daher zu uneinheitlichen Mehrwertsteuersätzen für identische Umsätze führen.
Damit die Differenzbesteuerung angewendet werden kann, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Es darf kein Nachweis für eine frühere mehrwertsteuerpflichtige Lieferung dieses Werks vorliegen, die bereits als eine solche erstmalige Einführung zu betrachten wäre. Und selbst wenn ein Urheber oder sein Rechtsnachfolger ein Kunstwerk über eine juristische Person an einen steuerpflichtigen Händler liefert, muss diese juristische Person als Eigentümer des Kunstwerks verfügungsberechtigt sein, damit die Regelung auf den anschließenden Verkauf durch den Händler Anwendung findet.
Endgültige Entscheidung der Gerichte
Im Anschluss an alle EuGH-Schlussanträge und die Ausführungen des Generalanwalts entschied der EuGH, dass Artikel 316 Absatz 1 so zu verstehen ist, dass er Situationen abdeckt, in denen steuerpflichtige Händler Kunstwerke vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern über eine juristische Person erhalten, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind.
Diese beiden Bedingungen sind, dass die Lieferung durch die juristische Person dem Urheber oder seinen Rechtsnachfolgern zurechenbar sein muss, z. B. wenn sie die juristische Person speziell für die Vermarktung der Werke des Urhebers gegründet haben, und dass die Lieferung an den steuerpflichtigen Wiederverkäufer die erste Einführung dieser Werke auf dem EU-Markt darstellt.
Schlussfolgerung
Das EuGH-Urteil bestätigt, dass die Regelung über die Differenzbesteuerung angewandt werden kann, wenn der Urheber oder sein Rechtsnachfolger Kunstwerke über eine juristische Person liefert, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Eine solche Auslegung der EU-Mehrwertsteuervorschriften ist ein wichtiger Präzedenzfall für Kunsthändler, Kunstschaffende und andere auf dem EU-Kunstmarkt tätige Personen und Unternehmen.
Quelle: Rechtssache C-433/24 - Galerie Karsten Greve/Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und industrielle und digitale Souveränität, Frankreich, EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, Mehrwertsteuerüber

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